Amerikanische Träume
Wie die US-Boys in der Heimat gegen Vorurteile ankämpfen
Der Autor des Dramas ”Battle for Beijing” hatte ein wirklich gutes Drehbuch geschrieben: Am vorletzten Tag des Qualifiers in Auckland besaßen tatsächlich noch drei Mannschaften Chancen auf den Einzug ins Finale und somit auf das Olympia-Ticket. Und beinahe wäre es den hoch motivierten Iren auch gelungen, Favorit Neuseeland aus dem Rennen zu werfen, denn sie besiegten mit einer kämpferischen Höchstleistung die schwach spielenden Argentinier.
Doch, und das war das wirklich Tragische, nur mit einem Tor, weshalb sie am Ende des Tages, nachdem Neuseeland mit 2:0 gegen Frankreich gewann, trotz des Sieges und nur aufgrund des schlechteren Torverhältnisses auf Platz drei lagen. So finden in den morgigen Platzierungsspielen letztlich doch genau jene Begegnungen statt, mit denen die meisten von Beginn an gerechnet hatten: Neuseeland tritt gegen Argentinien um das Ticket, Frankreich gegen Irland um Weltranglistenpunkte an.
Die wahren Helden des Dramas, ähm Tages, waren daher die US-Amerikaner, die in ihrem Spiel gegen Trinidad & Tobago, in dem es um absolut gar nichts ging, die Moral bewiesen, einen 2:0-Rückstand zur Halbzeit noch in einen 4:2-Sieg zu drehen. Dieser Sieg ändert nämlich überhaupt nichts an ihrer Platzierung, schon vor dem Spiel stand fest, dass sie in ihrer morgigen Begegnung wieder auf T&T treffen werden. Statt wie die anderen Teams mächtig zu taktieren und eventuell Kräfte für die entscheidenden Duelle am nächsten Tag zu sammeln, gaben die Amerikaner alles, um ihren ersten Turniersieg einzufahren.
Man mag es als Unerfahrenheit abtun oder vielleicht doch mal genauer hinschauen, um das Wesen hockeyspielender Männer aus den USA zu verstehen. Die Jungs von Trainer Nick Conway stehen in ihrer Heimat nicht nur absolut im Schatten der Frauenmannschaft, die sich aus einem gut ausgebauten nationalen Collegehockey speist, sondern sie werden auch regelrecht belächelt. “Wir müssen gegen große kulturelle Vorurteile ankämpfen, um den Hockeysport für Männer in unserem Land zu verbreiten”, erklärt Conway und weist darauf hin, dass es in den Vereinigten Staaten noch nicht einmal eine nationale Liga gibt.
“Nur einmal im Jahr treten verschiedene Teams an einem Wochenende gegeneinander an. Daher kann ich für die Nationalmannschaft, realistisch gesehen, auch nur aus rund 35 Spielern auswählen.” Ein anderer nicht unwichtiger Grund ist, dass viele der Vereinsspieler keine amerikanische Staatsangehörigkeit haben. Das Problem der Nationalmannschaft sei dann natürlich, dass der Ehrgeiz und die Herausforderung für die Spieler verloren geht, wenn es so einfach ist, ins Team zu kommen.
Einer seiner Vorzeigespieler, der 22-jährige Patrick Harris, pflichtet ihm bei: “In der Heimat fällt es einem schwer, sich zu motivieren und konkurrenzfähig zu bleiben. Mein großer Traum ist es daher auch, im Ausland professionell Hockey zu spielen, vielleicht in Australien oder Neuseeland, nachdem ich mein Studium beendet habe.” Als Führungsspieler seiner Mannschaft und “USA Player of the Year 2007” hat Patrick auch allemal das Zeug dazu.
Der talentierte Mittelfeldspieler stammt aus der ersten “Hockeyfamilie” des Landes: Sein Onkel Tom Harris gilt als der Vater des US-amerikanischen Männerhockeys und seine hockeyspielenden Eltern förderten ihn und seinen Bruder Sean, der auch in Auckland mit dabei ist. Der Qualifier in Neuseeland ist für die Harris-Brüder und ihr Team in erster Linie eine Erfahrung, aus der sie viel lernen können. “Wir wussten ja von vornherein, dass wir keine Chancen auf den Turniergewinn haben, es geht vielmehr darum, uns mal mit anderen Spielern zu messen, durch eine gute Performance Einladungen zu weiteren Turnieren zu erhalten und unser Selbstbewusstsein zu stärken.” Lachend fügt er noch hinzu, dass ihre Chancen auf ein Olympiaticket wohl für das Jahr 2016 am besten stünden – wenn Chicago ein bisschen mithilft.
Charlotte Geiger
|