Die Qual der Qualifikation
Über Neuseelands Freude und Argentiniens Tränen
“Es war ein lebenswichtiges Spiel für beide Mannschaften, bei dem es letztlich nicht nur um die Qualifikation für Peking und den Lohn für die intensive Vorbereitung, sondern auch die Zukunft des Hockeysports in unseren beiden Ländern ging.” So versucht Shane McLeod, der neuseeländische Coach, in Worte zu fassen, was beim heutigen Finale des Qualifiers in Auckland alles auf dem Spiel stand. Dass beide Teams nach den harten fünf Turniertagen das Olympiaticket verdient hatten, sie sich einfach ebenbürtig waren, machte die Sache um so grausamer, das Finale dafür um so spannender.
Nach einer ersten Halbzeit, in der die Argentinier dominierten und durch ein Eckentor von Lucas Vila (24. Minute) auch mit 1:0 in Führung lagen, erwachte in der zweiten Hälfte der neuseeländische Kampfgeist und sie konnten zweimal einen Rückstand wieder aufholen: Zunächst durch Kosoof (49.), dann durch Hayden Shaw (65.), nachdem Matias Vila die Argentinier zwischenzeitlich wieder mit einem Tor in Führung gebracht hatte (53.). Dass es sich dabei allesamt um Eckentore handelt, zeigt auch, wie gewissenhaft beide Mannschaften ihre Abwehrarbeit leisteten.
Es kam also zu einer Verlängerung, deren Dramatik durch nichts mehr übertroffen werden konnte und in der beide Teams ihre Chancen hatten. Doch nutzen konnte sie nur Neuseeland und zwar in der allerletzten Minute der Verlängerungszeit: Nachdem der argentinische Torwart herausgelaufen war, konnte Bradley Shaw einen Abpraller ins leere Tor versenken (85.). Die Szenen, die darauf folgten, waren pure Emotion: Die “Black Sticks” warfen ihre Schläger durch die Luft, schrien, jubelten, warfen sich aufeinander, während die Südamerikaner zum Teil auf der Stelle in sich zusammensackten oder wie die Furien auf die Schiedsrichter losrannten, um sich zu beschweren – natürlich vergebens.
Selbst als neutralem Beobachter des Szenarios zeriss es einem wirklich das Herz: Schaute man in die strahlenden Gesichter der Kiwis, steckten sie einem mit ihrem Grinsen an. Nur wenige Meter entfernt hielt sich der argentinische Coach Sergio Vigil lauthals schluchzend an der Spielfeldbande fest, ein Anblick, der einen wirklich zu Tränen rühren konnte. Nur unwesentlich gefasster äußerten sich die beiden Coachs, die sich zwischendurch immer wieder herzlich in den Arm nahmen, nach dem Spiel.
Sergio Vigil betonte, dass er sich sehr für die Kiwis freue und auch stolz auf die Leistung seiner eigenen Mannschaft sei: “Meine Jungs machen mir wirklich sehr viel Freude, und ich bin froh, dass ich ihnen auch nach dieser bitteren Niederlage in die Augen schauen kann, denn wir haben ein gutes Turnier gespielt.” Das Wichtigste im Leben sei doch, das Ganze sportlich zu sehen, auch wenn für einen gerade eine Welt zusammenbreche – was er hiermit wirklich eindrucksvoll bewies. Der gleichermaßen bewegte Shane McLeod bekräftigte, dass beide Teams gleichstark waren und das Ticket verdient hätten.
“Dieses Qualifikationsturnier ist viel härter als das eigentliche olympische Turnier, wo wir mit fehlenden Top-Mannschaften wie England oder Indien, Japan oder eben Argentinien relativ leicht eine gute Platzierung erreichen koennen.” Die neue Form der Olympiaqualifikation werde es niemals ermöglichen, tatsächlich die besten zwölf Nationen der Welt im olympischen Wettkampf zusammenzubringen. “Daher ist sind diese Qualifier absolut der falsche Weg, auch wenn wir als Sieger natürlich sehr von dieser harten Probe profitieren können, eine bessere Vorbereitung gibt es gar nicht.”
Ganz anders sahen das früher am Tag die beiden Trainer der Mannschaften, die um Platz fünf kämpften und eh nie eine Chance auf das Olympiaticket besaßen. Sowohl der amerikanische Teamchef als auch sein Kollege aus Trinidad & Tobago sind überzeugt davon, dass dieses Turnier eine unglaublich wichtige und lehrreiche Erfahrung für ihre Spieler gewesen ist. “Wenn man den Hockeysport weltweit weiter verbreiten will und wenn die Mannschaften zwischen Rang 16 und 30 der Weltrangliste näher an die Top-Teams der Welt herangeführt werden sollen, dann sind diese Turniere absolut notwendig”, so US-Coach Nick Conway, dessen Team in einem bitter umkämpften Match mit 2:3 gegen Trinidad verloren hatte.
Frankreich ärgerte in einem guten Spiel um Platz drei im Anschluss mal wieder Irland, indem Frédéric Soyez ebenfalls in der allerletzten Minute das 2:1-Siegtor schoss und die Iren damit auf einen undankbaren und besonders unverdienten vierten Platz verdrängte. Ob grausame Hürde für die Favoriten, lehrreiche Erfahrung für die Außenseiter oder gute Werbung für den Hockeysport? Es bleiben ja noch ein paar Qualifikationsturniere, um das herauszufinden…
Charlotte Geiger
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