Russischer Husarenstreich
Auf der Suche nach Gründen für eine Teilnahme ohne Vorbereitung
Es gibt Mannschaften, die haben schon im Jahr 2006 von ihrer (Zwangs-)Teilnahme an einem olympischen Qualifikationsturnier erfahren (Indien) oder eine Champions Trophy (!) als Vorbereitung für das Turnier in Santiago genutzt (England). Es gibt aber auch Teams, die gerade mal zwei Wochen vor Beginn des olympischen Qualifiers in Santiago überhaupt erst von ihrer Teilnahme erfahren haben: Nachdem Bangladesch aus nicht offiziell genannten, wohl aber doch finanziellen Gründen zurückgezogen hatte, bekamen die russischen Hockeyherren von ihrem Verband Mitte Februar das Okay, dass sie nach Santiago fahren sollten.
Weder von Ticketchancen noch von Vorbereitung kann also die Rede sein. Zudem waren alle Spieler bis Ende Februar mit der russischen Hallensaison beschäfigt, hatten also bei ihrer Ankunft in Santiago noch kein einziges Mal in diesem Jahr auf dem Feld trainiert, und auch vor Ort blieben ihnen gerade mal drei Trainingseinheiten übrig, um sich auf 30 Grad Außentemperatur, Kunstrasen unter ihren Füßen und recht unbekannte Gegner einzustellen. Was um aller Welt also veranlasste den russischen Hockeyverband, seiner Herrennationalmannschaft einen nicht gerade billigen Trip nach Südamerika zu sponsorn?
Auf der Suche nach einer Antwort prallt ein jeder wissbegierige Journalist in Santiago an einer Mauer russischer Wortkargheit ab, die sicherlich nicht nur als Sprachbarriere identifiziert werden muss. Vielmehr gewinnt man nach der dritten Umformulierung der Frage ins allereinfachste Englisch den Eindruck, dass sprachliche Grenzen doch auch recht gerne bewusst eingesetzt, ein wenig genutzt werden, um sich vor Antworten zu drücken. Aber welchem Volk will man das verübeln, das an fragwürdige Medienzustände im eigenen Land gewöhnt ist?
Nach menschenmöglichem Nachbohren wurden mir dann doch drei Gründe für die Zusage aus russischem Mund zuteil: „Zur Übung“, so der russische Trainer Igor Shishkov, „wegen der Weltranglistenpunkte“, ein russischer Fan, oder doch „weil es so entschieden wurde“, wie der Torhüter Roman Rogov sich äußerte. Recht ehrlich gab der russische Hintermann dann aber doch von sich, „dass sie einfach mit der Hoffung herkamen, alles würde schon irgendwie klappen“. So sind wohl eher auf dem Spielfeld nach Antworten zu suchen, und die geben die Russen recht eindrucksvoll.
Nach 8:0-Niederlagen gegen die beiden Top-Favoriten des Turniers gewannen sie von Spiel zu Spiel an Form, besiegten schließlich sogar Chile mit 2:1. In ihrem Match gegen Mexiko hatte man bereits den Eindruck, das Team spiele besser zusammen als manch andere Mannschaft des Qualifiers und verwies die Mittelamerikaner mit 9:1 in die Schranken. Das Spiel um Platz drei sei auch ihr Ziel gewesen, „aber gegen Österreich wird es schon ein sehr hartes Match“, so Rogov. Die erste Begegnung hatten sie zwar knapp mit 2:1 verloren, aber, wie gesagt, mittlerweile haben sich die Russen ja auch warm gespielt.
Charlotte Geiger
|