Wenn die Kirschblüten blühen...
Über die wahren Gründe für die Vergabe dieses Qualifiers nach Japan
Offiziell heißt es, ausschlaggebende Kriterien für die Ausrichtung eines Olympischen Qualifiers seien zuallererst sachgerecht-zweckdienlicher Natur: guter Hockeyplatz, ausgebaute Infrastruktur, Sportlergerechte Hotels in der Nähe. Dann ist der FIH natürlich auch wichtig, dass die Qualifier in verschiedenen Kontinenten stattfinden. Nach Ozeanien mit Neuseeland, Chile in Südamerika ist nun also Asien mit Japan an der Reihe.
Die Hockeyverbände der einzelnen Länder mussten sich schon 2006, also teilweise bevor überhaupt feststand, welches Land sich für die Qualifikationsturniere bei ihren jeweiligen Kontinentalmeisterschaften qualifiziert, für die Ausrichtung bewerben und der FIH ein Angebot unterbreiten, aus 17 Kandidatenländern wurden damals drei ausgewählt. Doch, ganz ehrlich, vielleicht spielen auch manchmal ziemlich Hockeyfreie Gründe eine Rolle für den Zuschlag für ein Land: Natürlich gibt es keiner der Verantwortlichen zu, aber insgeheim kann es meiner Meinung nach nur einen wahren Grund dafür geben, weshalb der dritte Olympische Qualifier genau vom 5. bis 13. April gerade in Japan stattfindet: wegen der Kirschblüte.
Dieses Natur- und Kulturphänomen gleichermaßen will sich
keiner entgehen lassen, so viel ist klar: Die FIH-Präsidentin Els van Breda Vriesman stattet ganz zufälligerweise nur dem Qualifier in Japan einen Besuch ab, während sie auf den anderen Turnieren nicht zu erblicken war. Und, wenn man es mal recht bedenkt, wollten nicht vielleicht auch die deutschen Hockeyherren einfach nur einmal im Leben die japanische Kirschblüte erblühen sehen, und haben sich deshalb bei der EM von Belgien besiegen lassen?
Für den gemeinen Europäer ist diese japanische Obstbaumobsession schwer verständlich und vorstellbar, daher lohnt es sich wirklich, die Zeit der Kirschbaumblüte einmal im Land der aufgehenden Sonne zu erleben: Die Kirschblüte symbolisiert einen jährlichen Neuanfang, wenn sie von Mitte März im Süden Japans bis Anfang Mai im äußersten Norden quer durch Land den Frühling einläutet. Die zwei Wochen, in denen die Kirschbäume in den einzelnen Landesteilen ihre volle Pracht entfalten, sind für die Japaner Anlass für das Hanami bzw. gleich mehrere Hanamis, bei denen man sich im Familien-, Freundes- und auch Kollegenkreis auf Plastikdecken unter Kirschbäumen sitzend die Sake-Kante gibt.
Einhergehend mit der Blüte tauen so auch plötzlich die
zurückhaltenden Japaner auf, werden gesprächig und ausgelassen. Als glücklicher ausländischer Tourist (oder deutscher Hockeyspieler) ist man sicher auch ganz hin und weg von dieser weiß-hellpink-pinken Blütenpracht, aber gegen die florale Folie der Japaner ist das gar nichts. Sie zücken überall, wo sich ihnen eine Kirschblüte in den Weg stellt, ihr Handy oder ihre Kamera und knipsen was das Zeug hält. Väter strecken ihre Neugeborenen hoch hinauf in die Zweige, damit die Mutter ein Erinnerungsfoto schießen kann, alle Kaufhäuser und Straßen sind mit künstlichen Kirschbaumzweigen geschmückt und auch sonst ist einfach alles pink!
Auch wenn diese Kirschblütenträume für den Außenstehenden etwas kitschig erscheinen, so passen sie doch perfekt zu der japanischen Vorliebe für alles adrett-liebliche. Sie sind ungeheuer ordentlich und aufgeräumt, alles ist klein, sie selbst und ihr Essen, sie lieben die Details, Höflichkeit und Etikette. Manchmal erschwert diese Ordnungsliebe auch die Flexibilität, was die Gast-Hockeyteams hier in Gifu bei Organisatorischem wie Spaghetti-Zufuhr oder Shuttle-Service zu spüren bekamen. Doch was könnte dafür besser entschädigen als die Kirschblüte in Japan?
Charlotte Geiger
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