On the road to Beijing
Über Deutschlands Olympia-Schiedsrichterin Ute Conen
Um ein guter Hockeyschiedsrichter zu sein, braucht man Erfahrung, viel Erfahrung: „Du musst wissen, wo Du in welchem Moment auf dem Platz stehen solltest, damit Du die beste Sicht auf das Geschehen hast. Antizipation ist ein sehr wichtiges Element, als Schiedsrichter muss man spüren, wo der Ball als nächstes hingespielt wird.“ Ute Conen, Deutschlands Olympia-Schiedsrichterin aus Grevenbroich, hat in ihrer langen Karriere als Unparteiische ein großes Reservoir an Spielszenen angesammelt, aus denen sie inzwischen schöpfen kann, um genau dieses Spielverständnis zu haben, das einen guten Schiedsrichter ausmacht.
„1984 pfiff ich mein erstes Bundesligaspiel, 1992 dann erstmals auf internationaler Ebene bei einem Champions Cup in den Niederlanden.“ Nach den Olympischen Spielen in Sydney und Athen wird die 44-Jährige ein letztes Mal in Peking als einzige deutsche Schiedsrichterin an den Start gehen, für die nächsten Spiele wäre sie dann aber zu alt, die Altersgrenze liegt auf internationaler Ebene bei 47 Jahren. Hat man mit so viel Erfahrung nicht sein Olympia-Ticket schon lange im Voraus gebucht? „Nein“, Ute Conen lächelt, „neues Spiel, neues Glück! Man muss sich jedes Jahr aufs Neue beweisen in internationalen Spielen, auch wenn man den ‚Grade 1’, den höchsten Schiedsrichtergrad, erreicht hat.“
Dieses Jahr hat die Grevenbroicherin ihr Können schon im argentinischen Mendoza auf einem Vier-Nationen-Turnier unter Beweis gestellt, nun folgt noch der Qualifier in Victoria. Bis auf eine Ausnahme pfeifen alle Olympia-Schiedsrichter auf einem der drei Damen-Qualifikationsturnieren, auch wenn sie ihre Qualifikation bereits in der Tasche haben – jedoch sollten sie sich auf dem Qualifier auch keinen Patzer erlauben. Die Grevenbroicherin verfolgt daher nicht nur diszipliniert ihren eigenen Fitnessplan, sondern nutzt auch Trainingspartien der deutschen Nationalmannschaft, um sich auf die Spiele in Peking vorzubereiten.
„Ich rufe dann kurz vorher an, bevor ich mich auf den Weg zum Olympiastützpunkt nach Köln mache. Es gibt einfach nichts besseres als Spielpraxis!“ Zudem leitet sie natürlich auch Bundesligaspiele in der Heimat, wo sie auch Herrenmannschaften pfeifen darf, jedoch bleibt ihr neben ihrem Beruf kaum mehr Zeit als ein Spiel pro Wochenende – „dafür sind die Entfernungen in Deutschland einfach zu groß, in Holland ist das was anderes“. Die studierte Sport- und Erdkundelehrerin ist nach den Jahren des Überflusses auf dem Lehrerarbeitsmarkt an eine Hauptschule in Grefrath gekommen, eine Herausforderung, die sie gerne annimmt.
Mit ihrer sympathischen offenen Art und einer gesunden Autorität leitet sie Schülerhorden und Hockeyspieler gleichermaßen, auch wenn beides nicht immer leicht unter einen Hut zu bekommen ist: „Ich konnte das IOC leider nicht davon überzeugen, dass sie sich mit dem Zeitplan der Olympischen Spiele an die Sommerferien in NRW halten“, schmunzelt Ute Conen. Aber ihr verständnisvoller Direktor habe es ihr bislang immer ermöglicht, an den Hockeyturnieren teilzunehmen. Allerdings muss auch sie ihm entgegenkommen, indem sie statt ein paar Tagen angehängtem Urlaub in dem ein oder anderen schönen Land direkt nach Turnierende wieder zurückfliegt.
„Ich komme hier aus Vancouver am Dienstag zurück und habe am Mittwoch schon gleich meinen Powertag mit acht Unterrichtsstunden hintereinander.“ Doch diesen Stress nimmt Ute Conen gerne auf sich, nach den vielen Jahren im internationalen Hockey fühlt sie sich dort aufgehoben wie in einer Familie und freut sich jedes Mal, den ein oder anderen alten Bekannten wiederzutreffen. In nun bald 16 Jahren erlebte so schon Höhepunkte wie das Bronzemedaillespiel zwischen Argentinien und China in Athen und dem anschließenden Sieg der deutschen Damen im Finale. Aber auch persönliche Tiefpunkte nimmt sie als Ansporn, es beim nächsten Mal besser zu machen, statt sich davon herunterziehen zu lassen. Und wäre Peking nicht der ideale Ort, um ihre lange Karriere mit einem tollen Turnier abzuschließen?
Charlotte Geiger
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