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Charlotte on tour

Im Land der langen schwarzen Schläger

Über die sportbegeisterten Gastgeber des ersten Qualifiers

Zwei typische "Black Sticks"-Fans. Foto: Geiger

Der Kiwi gilt gemeinhin als recht sportbegeisterter Zeitgenosse, und seine Brust schwillt an vor Stolz, nimmt es einer seiner gerade mal vier Millionen Landsmänner oder -frauen mit den besten Sportlern der Welt auf. Neben Cricket, Segeln, Korbball und Hockey ist es besonders Rugby, was die Massen in die Stadien oder vor den Fernseher zieht und mit den “All Blacks” die Helden der Nation hervorgebracht hat. Die international höchst erfolgreiche Mannschaft (die vergangene WM in Frankreich vergessen wir mal schnell) hat sportlich und natürlich durch ihren berühmten Haka, den Kriegstanz der Maori-Ureinwohner, den Gegnern das Fürchten gelehrt, und nebenbei fast allen anderen Nationalmannschaften Neuseelands den Titel “Black” eingebracht: die Cricketspieler heißen “Black Caps”, die Segler haben den America’s Cup mit der “Black Magic” gewonnen, die Basketballspieler nennen sich “Tall Blacks” und die Hockeyspieler zwangsläufig “Black Sticks”. Nur die Korbballspieler tanzen aus der Reihe, indem sie sich “Silver Ferns” tauften, und zwar nach dem nationalen Farnsymbol.
Für den Beginn des Turniers, bei dem sich die “Black Sticks” daheim die Olympiaqualifikation sichern wollen, haben sie ein sehr unglückliches Wochenende ausgesucht. An diesem ersten Februarwochenende findet nämlich zur gleichen Zeit in der Hauptstadt des Landes das ultimative Rugby-Turnier “Wellington Sevens” statt, bei dem 7-köpfige Teams aus aller Welt, im Finale aber meist nur Fidschi und Neuseeland, gegeneinander antreten. Da kann es sich um noch so ein wichtiges Hockeyspiel handeln, das Fernsehen ueberträgt den ganzen langen Tag die 30-minütigen Rugbyspielchen, und auch die Zuschauer zieht es ins große Stadion in Wellington, wobei sie sich zu diesem Anlass gerne ungewöhnlichst verkleiden – seit diesem Jahr ist übrigens offiziell das Borat-Badeanzug-Outfit verboten, aber dann lassen sich die partylustigen Neuseeländer eben was anderes Schräges einfallen. Wie sehr Hockey in diesem schönen Land im Schatten des großen Rugby-Bruders steht, habe ich auch gleich bei der Anreise zum Stadion am eigenen Leib erlebt: Der Busfahrer warf mich am Rugby-Stadium der Stadt Albany heraus, obwohl ich ihm vorher deutlichst erklärt hatte, dass ich auf dem Weg in das Hockeystadion der gleichen Stadt sei. Ein älteres deutsches Ehepaar, das sich in Neuseeland zur Ruhe gesetzt hat, sammelte mich dann freundlicherweise an einer Tankstelle ein und brachte mich zum fünf (!) Kilometer entfernt liegenden Hockeystadium.
Auf die Anlage, die letztlich irgendwo im Nirgendwo auftauchte, verirrten sich gleich am ersten Tag dann noch rund 500 Hundert andere eingefleischte Hockeyfans, die von ihren “schwarzen Hockeyschlägern” auch mit einem souveränen Sieg über die tapfer kämpfenden Rasta-Männer aus Trinidad & Tobago belohnt wurden. Ihre herrlich anzuschauenden Kombinationen mündeten unter anderem in den vierten internationalen Hattrick des Stürmers David Kosoof und vier Tore des 19-jährigen-Hockeystars Simon Child, Spezialist Hayden Shaw konnte mit einer Ecke sein 100. internationales Tor bejubeln. Auch wenn es sich um einen vergleichsweise schwachen Gegner gehandelt hat, so überzeugten die Kiwis mehr als ihre Konkurrenten um das Peking-Ticket in deren Auftaktspielen: Sie spielten ebenso technisch versiert wie die Argentinier und zeigten sich physisch genauso stark wie Irland, die beide ebenfalls einen ersten Sieg einfahren konnten. 
Doch auch neben dem Platz wussten die Ausrichter des Turniers für ihren Sport zu werben und unterhielten das Publikum bestens: In den Halbzeitpausen konnten die Fans bei einem Stadionquiz mit ihrem Hockeywissen glänzen (“Welches Jubiläum feiert der Hockeysport bei den Olympischen Spielen in Peking?”) und konnten dabei zum Beispiel besondere Hockeysocken gewinnen. Zwischen den Spielen sorgte eine Live-Band für den musikalischen Rahmen, während sich die Zuschauer mit einem köstlichen “Flat White”, einem Neuseeländischen Milchkaffee, oder einem deftigen Burger versorgen konnten. Türkis-gekleidete Volunteers traf man an jeder Ecke der Anlage, die für einen äußerst reibungslosen Ablauf der Veranstaltung und das Wohlbefinden der Zuschauer sorgten, mit freundlichen Worten, Auskünften oder einer Riesentube Sonnencreme. So verließ am frühen Abend ein zufriedenes Publikum das Stadion, und wenn später am Abend auch noch die “All Blacks” das Rugby-Finale in Wellington gewinnen würden, wäre dies wohl ein perfekter Tag im Land der langen weißen Wolke.

Charlotte Geiger

 
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