Mit gemischten Gefühlen aus dem Reich der Mitte heimgekehrt! (Zeitungsbericht)
Der Borkener Bundesjugendsprecher des Deutschen Hockey-Bundes, Michael Steinmann, nahm während der Ostertage an einer Delegationsreise auf Einladung des chinesischen Ministerpräsidenten gegenüber Angelika Merkel aus dem Jahr 2006 teil. Ab Ostersonntag ging es für eine Woche zum kulturellen Austausch und zur Besichtigung der olympischen Vorbereitung nach Ostasien. Neben Shanghai und Peking, war auch die „Provinzstadt“ Tianzijn mit 7.000.000 Einwohnern, die Stadt der olympischen Fußballspiele, Halt auf der 7-tägigen Besuchsroute.
Olympischen Spiele 2008. Die Delegation, die vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend als Gruppe „Jugend und Sport“ entsandt wurde, stand unter der Leitung von Staatssekretär Gerd Hoofe.
In 2007 waren bereits 300 junge Menschen, Vertreterinnen und Vertreter von Jugendorganisationen und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, junge Künstlerinnen und Künstler, Vertreterinnen und Vertreter der kulturellen und politischen Jugendarbeit, junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und Schülerinnen und Schüler der Einladung des chinesischen Ministerpräsidenten zu Gast bei der All China Youth Federation (ACYF) gefolgt.
Nach dem man sich am Ostersonntag und Ostermontag zur Vorbereitung in der Sportschule in Frankfurt am Main getroffen hatte, um noch einmal gründlich Information über die Reise in ein für viele unbekanntes Land zu sammeln, aber auch um die anderen Jugendlichen kennen zu lernen, ging es dann am Montagabend zum lang ersehnten Abflug nach Shanghai. Von den zirka 450 Bewerbungen der Jugendlichen, wurden ungefähr 80 ausgewählt um an diesem wohl einmaligen Erlebnis teilnehmen zu dürfen, der Rest wurde bis auf 100 Leute mit „VIPs“ aus dem Ministerium, DSJ-Vorstand und dem Deutsch-Französisches Jugendwerk aufgefüllt.
Als besondere kulturelle und typisch chinesische Monumente stand neben der Besichtigung der Chinesischen Mauer, des Himmelstempels auch die Verbotene Stadt, in der früher die Kaiser lebten, auf dem Besichtigungsmarathon. Auch das Gebäude der neuen Weltmacht, der Nationalkongress, zu dem man als normaler Tourist gar keinen Eintritt gewährt bekommt, stand als wichtigster Delegationspunkt auf dem Reiseprogramm, denn dort traf man sich zu einem Gruppenfoto mit dem ständigen Vorsitzenden des chinesischen Nationalkongresses, Lu Yongxiang, einem der mächtigsten Männer des Landes. Aber auch weniger bekannte Sehenswürdigkeiten sollten den jungen Sportlern gezeigt werden.
Besonders waren die Besichtigungen- als Sportdelegation standen natürlich auch dementsprechende Termine auf dem Programm – des Sportzentrums in Shanghai, der Sportuniversität in Peking, sowie das olympische Museum in Peking und das Fußballstadion in Tianzijn. „Leider war es uns kaum möglich, irgendwelche Sportler beim Training zu sehen, denn diese waren immer „zufällig“ beim Mittagsessen, in den Umkleiden oder ganz spontan auf Wettkämpfen, obwohl Handtücher und Badelatschen meistens noch an den Sportstätten lagen“. so das Fazit des Borkeners. Der einzige offizielle Kontakt zu chinesischen Jugendlichen bestand darin, als die Mittelschule in Tianzijn an einem Sonntag besucht wurde und dafür extra Jugendliche in die Schule geladen wurden, um den Deutschen eine Führung durch die Schule zu ermöglichen sowie nachher gemeinsam Basketball zu spielen.
Wie im Vorfeld der Reise schon befürchtet und in den Medien in letzter Zeit stetig angesprochen, bemerkt Steinmann die doch mit großer Propaganda geführten Touren während der ganzen Tage. „Gleichzeitig soll den Teilnehmenden als Vertreter/innen ihrer Organisationen und Verbände die Gelegenheit gegeben werden, Möglichkeiten zum Aufbau und zur Gestaltung bilateraler Beziehungen mit chinesischen Partnern anzusprechen.“ so war vor Beginn der Reise eines der Ziele der DSJ. Das dieses leider fast gar nicht möglich war, ist eines der negativsten Vorkommnisse der Reise gewesen; denn gerne hätte der 21-jährige Steinmann als ehemaliger Trainer vom LC Borken und Spieler des WMHC Avanti Winterswijk, der in den letzen Jahren einige internationalen Kontakte durch den Deutschen Hockey-Bund in der ganzen Welt knüpfen konnte, diese Möglichkeit nutzen wollen.
„Besonders unglücklich war die Situation, dass wir kaum mit chinesischen Jugendlichen in Kontakt gekommen sind, wir sollten scheinbar bewusst von jeglicher Kontaktaufnahme mit Fremden bewahrt werden, um ja keine nicht gefilterten Informationen zu bekommen und die Wirklichkeit hinter der gesetzten Fassade nicht zu Gesicht zu bekommen.“ so der Eindruck des in Münster Spanisch und Geschichte studierenden Kreisstädters. Denn als in der Provinzstadt Tianzijn an zwei Abenden eigenständig von den deutschen Teilnehmern eine Diskothek besucht wurde und es dort zu unschönen Zwischenfällen, an denen direkt Delegationsteilnehmer zwar nicht von betroffen waren, kam, wobei Polizei und Sicherheitskräfte allerdings nicht eingriffen, und am anderen Tag davon in den Bussen die Rede war, wurde für den letzten Abschlussabend in Peking, an dem eigentlich noch einmal ein ähnlicher Ausflug in die Jugendpartykultur der hiesigen jungen Menschen gemacht werden sollte, dieses angeblich mit Hilfe der guten Kontakte zur Deutschen Botschaft umgeschmissen. So wurde allen Teilnehmern nahegelegt, doch mit in einen komplett nur für die Delegation gebuchten Tanzclub, abgeschottet von jeglichem Kontakt, zukommen. „Auch dieses Beispiel hat wie so oft in der Reise leider gezeigt, dass die Realität hinter den 5 Meter hohen Mauern der Slums doch eine andere ist, als uns ständig propagiert wurde, was wirklich sehr schade, aber auch für die ganze Situation in dem Land bezeichnend war.“
Aber es waren natürlich nicht nur negative Erfahrungen, welche mit dem Land gemacht wurden, denn besonders was die Förderung des Sports, sowohl des Leistungs- als auch Breitensports angeht, werden in China unglaublich starke Anstrengungen unternommen, nicht zuletzt nur wegen der Olympischen Spiele. Aber auch der durch die Reise verbesserte Kontakt zur Deutschen Sportjugend und dem Deutsch-Französischen Jugendwerk sollen in Zukunft weiter genutzt und ausgebaut werden.
Die meisten Chinesen seien wirklich alle sehr hilfsbereit und gut gelaunt. Auch auf den verschiedenen Märkten oder in den Geschäften würde stets auf einen sehr höfflichen Ton geachtet und mit viel Freude und Begeisterung gehandelt. Aber auch in den Restaurants und Hotels seien die Menschen immer sehr offen und freudig bei der Sache dabei. „Auch Klasse war, als wir nachts mal wieder „gutes“ Essen von MC Donalds brauchten, das es doch mit Zeichnen und Zeichensprache, Chinesisch, Englisch und Deutsch und der Hilfe von anderen chinesischen Gäste geklappt hat, die Cola ohne Eis zu bekommen. Das war schon spaßig.“
Eine derartige Reise und eine Jugendbegegnung mit einer Kultur, welche einem doch fremd ist, ist mit Sicherheit auch weiterhin für die Zusammenarbeit beider Länder förderlich. Allerdings sollte nicht versucht werden, dass ganze durch vorgespielte Tatsachen und dem Verstecken der Wahrheit unglaubwürdig zu machen. Anstatt im Hotel zu leben, wären Gastfamilien sicherlich besser geeignet, die freundschaftliche Basis weiter zu stärken, so wie es bereits mit vielen anderen Ländern wie Japan oder Israel passiert, so das abschließende Fazit vom Vertreter der deutschen Hockeyjugend.
Interview mit Michael Steinmann:
Als erstes vorweg. Wie ist Ihre Meinung gegenüber einem Olympiaboykott?
Ein Boykott der Spiele kann und darf nicht die Lösung sein. Denn die Spiele sind für die Sportler da und jeder einzelner Sportler muss für sich entscheiden, ob er es mit seinem Gewissen vereinbaren kann, in diesem Land anzutreten. Aber Politik und Medien dürfen diese Chance, aber auch die Entscheidung nicht nehmen. Es wäre das falsche Signal, denn der IOC ist kein politisches Gremium und kann die Probleme nicht lösen. Die Spiele bieten die einmalige Gelegenheit, dass die Augen und Ohren der Welt auf dieses Land gerichtet werden, und genau jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, um den Dialog mit dem Land zu intensivieren. Aber der Sport alleine kann kein Machtinstrument sein. Und wenn wir ehrlich an uns selber runter schauen, sind mindestens 50% unserer Kleidung in China hergestellt, aber ein derartiger Boykott scheint im Moment gar keine Rolle zu spielen, obwohl der wirtschaftliche Faktor weitreichender wäre. Hier wird in den Medien meiner Meinung nach mit zweierlei Maß gemessen.
Wie war Ihr Eindruck über die Geschehnisse in China vor Ihrer Reise und was hat sich davon bestätigt?
Natürlich sind die Geschehnisse, welche im Vorfeld in Tibet aber auch immer wieder in Taiwan passieren, besorgniserregend, aber ich selber habe eigentlichen kein Mal daran gedacht, die Reise aus sicherheitstechnischen Gründe nicht anzutreten, da wir als Delegation ja quasi VIP-Gäste waren. Aber man macht sich natürlich schon seine Gedanken, über das, was in dem Land passiert, in das man reisen wird. Während des ganzen Aufenthalts haben wir davon nichts mitbekommen, denn jegliche Möglichkeit, sich über die aktuelle Situation zu informieren, wird einem genommen. CNN oder BBC werden z.B. schwarz, da einige Sekunden zeitversetzt übertragen wird, wenn über bestimmte Themen gesendet werden sollte. Auch so manche Internetseite waren nicht aufrufbar und die normale Bevölkerung weiß auch nur sehr wenig und ist von ihrem System derart stark überzeugt, dass daran auch keine Zweifel zu scheinen sein. Man muss sich darauf einstellen, dass in deren Augen der Dalai Lama wirklich ein Terrorist ist, der deren Spiele sabotieren möchte, denn fast alle von den wenigen Chinesen, mit denen man sprechen konnte, sind sehr stolz auf ihr Land und auf ihre Spiele.
Was hat Sie in China am meisten beeindruckt?
Das gigantische, unglaublich schnell gewachsene Stadtbild. Alles ist so überdimensional groß und gigantisch. Die jungen Leute abends in den Clubs und Kneipen waren alle super nett und total positiv auf uns Ausländer eingestimmt, zumal wir immer die einzigen Ausländer zu sein schienen. Sie haben sich mit uns unterhalten, oder zumindest versucht, mit uns getanzt und viele Spaßfotos gemacht. Das würde glaube ich hier in Deutschland keinem Chinesen in einem deutschen Club passieren.
Negativ beeindruckt war ich vor allem von den mangelnden Sprachkenntnissen 3 Monate vor Olympia, keiner spricht Englisch. Die Verkehrssituation ist sowohl in Shanghai als auch Peking eine reinste Katastrophe und die Gleichgültigkeit vieler Leute ist schon erschreckend. Und dass die Sonne scheint, weiß man auch nur aus dem Wetterbericht. Überall Smog.
Ihr Reiseprogramm war ja durchaus mit vielen Punkten gefüllt; hatten Sie trotzdem Zeit, auch auf eigene Faust etwas zu erkunden?
Leider meistens nur Spätabends nach den offiziellen Banketten, aber es war trotzdem sehr interessant und spannend zu erleben, wie die „normalen“ Menschen in China arbeiten und leben. So waren wir z.B. nachts um 11.30 noch mit 18 Leuten in einen Massagesalon eingefallen oder haben auf Märkten bis zu 30-minütige Verhandlungen geführt, um etwas zu kaufen, was sehr viel Spaß bereitet hat. Da das Taxifahren in China im Verhältnis sehr, sehr günstig ist, sind wir natürlich noch jeden Abend losgezogen und haben das Nachtleben erkundet und versucht, möglichst viele Eindrücke mitzunehmen.
Welches Fazit würden Sie im Nachhinein über diese Reise ziehen?
Die Jugendlichen aus der Gruppe, welche ja aus allen Bereichen des Sports und vor allem von verschiedenen Sportarten kommen, waren einfach nur fantastisch und toll. Das Fazit zu den Olympischen Spielen ist doch sehr gespalten. Da denke ich schon, dass die Spiele gut gelingen können, zumal die Vorbereitungen meiner Meinung nach weit fortgeschritten sind, allerdings sollte die Welt genau hinschauen und die ganzen Menschenrechtsverletzung nicht durch die Brille der Spiele verschwinden lassen.
Man könnte leider fast sagen, dass außer in einige wenigen Gebieten, in denen China durchaus eine Industrienation ist, das Land oftmals nicht einmal als Schwellenland, sondern eher als Entwicklungsland anzusehen ist. Aber nichtsdestotrotz hat sich diese Reise auf jeden Fall gelohnt, man konnte sehr viel für sich selber mitnehmen und ich bin froh, dabei gewesen zu sein.
So, letzte Frage. Was sind Ihre Ziele und Planungen für die Zukunft sowohl in privater als auch sportlicher Hinsicht?
Im Vordergrund steht natürlich ein möglichst schneller Fortgang in meinem Studium, denn dieses soll ja nicht unter meinen sportlichen Aktivitäten leider. Im Bereich des Sports steht als nächstes Großes für mich die Delegationsleitung einer Gruppen von Jugendlichen in das internationale Sportcamp in Lasurnij in Russland im Sommer auf dem Programm, aber auch im Bereich meiner Jugendsprecheraktivitäten auf nationaler Ebene soll einen weiteren Schub erfahren und natürlich nicht zuletzt meine seit dem 1. April begonnene Trainertätigkeit beim THC Münster soll Erfolge bringen.
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