Hupes Welt 72 - 24. März 2006

   

Dioktrin

Einsteilige Verfügung – ich bin nicht blind – nur faul. Und so ist auch der Emmel. Gemobbt wurde bei den medizinischen Tests am Montag wer seit der Führerscheinprüfung nicht mehr beim Augenarzt war. Bei manchem Spieler ist das ja vielleicht gerade erst einige Wochen her, bei der Minderheit aber schon über zehn Jahre. Und da bin ich mit nur einer Dioktrin doch noch ganz gut im Rennen. Emmel und ich waren uns einig, dass wir unsere Umwelt bebrillt nur noch mehr im intellektuellen Gleiß blenden würden. Deshalb haben wir es bis heute beim typisch bechmannschen Augenrunzeln belassen.

Alles andere in bester Ordnung. Der Lagerkoller bricht pünktlich auf die Minute mit dem Schließen der heimischen Wohnungstür aus, die ersten Gehversuche mit dem Feldschläger enden im höhnischen Mitspielergelächter, der Trainer motzt in gewohnter Manie, jedes Training beginnt und endet mit Mitteilungsbedürfnis (kurzes Gettogesa mit Etersansprache – „das war schon ganz ok, geht aber noch besser“ und so). Und aus dem neuen Stadion gibt es auch fast nur Gutes zu berichten: Der Weg vom Platz zum Tresen ist auf ein Minimum verkürzt worden (ca. 15m) – die Sitze erwecken durch Vielfarbigkeit den Eindruck ständig besetzt zu sein; Meini war gleich so begeistert von den Schalensitzen, dass er mich mit ihnen verwechselte („Hey – ich fand das heute total schwer dich anzuspielen“) – klar, weil: Schalenfarben: Gelb, orange, hellblau, dunkelblau, schwarz – Hupe: schwarze Hose, gelb-oranges Oberteil – fragt sich bloß wer hier nur eine Dioktrin hat. Die Tresenseite des Stadions wird von Glasfassaden bevölkert. Big Mother Uschi wacht aus der Ecksuite im ersten Stock, Micki Hilgers grüßt beim Einmarsch aus dem ebenerdigen Appartement darunter und die Sportsbar vom anderen Ende – beim Training allgegenwärtig von der Videoleinwand angepriesen: „ab sofort täglich ab 12 geöffnet“. Schlecht ist leider, dass die Zufahrt zum Spielfeld für ein Hockeytor nicht breit genug ist. Also muss man bei Bedarf zusätzliche Tore vom Nebenplatz quer ins Stadion tragen - oder schieben. Andererseits war es vielleicht auch ein genialer Einfall des Architekten: Denn Bernhard erkannte sofort das Motivationspotential des Torhebens – die Verlierermannschaft muss Tore schleppen, das wirkt. Neu: Ketchupfights – ein Holland-Import. Geht am besten mit dem schmierigen holländischen Ketchup aus der Kopfstandflasche. Und das geht so: Heimfahrt zum Hotel, Auto Tibor (Auti) hinter Auto Draguhn (Audra), Auti-Beifahrer Emmel greift zur Waffe im Handschuhfach. Heinz schütteln und Fenster kurbeln, an der nächsten Ampel links neben Audra einordnen, zielen - anfahren – perfekter Schuss: Scheibe der Fahrertür und Windschutzscheibe rot gesprenkelt. Verzweifelte Gegenschlagversuche mit Nutraxx und Wasser – vom Scheibenwischer abgeschmettert – am Hotel niedergeschlagene Audra-Gesichter. Immerhin haben sie Auti noch auf den letzten Metern den besseren Parkplatz weggenommen.


  Foto: Herbert Bohlscheid (info@sortfoto.tv)

Ist die Welt überhaupt zu retten?


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