Flach und hart
Endlich weht die schwarz-weiße Zielflagge. Kribbelnde 25 Minuten hat es gedauert. Dann erst piepst es aus dem kleinen Gerät und eine Fahne flackert im Display: Kein Strom mehr durch den linken Oberschenkel, kein Zucken mehr im Muskel, kein Anspannen. Ruhe. Entspannung. Die Therapie für das Knie ist zu Ende. Für heute. Um kurz vor zwölf. Mal wieder.
Der erste Gedanke vor dreieinhalb Wochen war: Dafür habe ich jetzt etwas mehr Zeit für andere Sachen. Da hatte ich mich gerade mühsam damit abgefunden sechs Wochen keinen Laufschritt zu machen und erst recht keinen Schläger zu heben. Hätte mir auch denken können, dass es ungesund werden würde im Training zweimal nacheinander den Torwart mit einem Chip zu überwinden. Beim ersten Mal noch überrascht, dass ich so was auch kann, sagte mir mein Bewegungsmelder beim zweiten Versuch unmissverständlich: Du: Flach und hart. Witti und Konsorten: auch mal mit Finesse. Der Radiologe fahndete auf den Kernspinbildern nach meinem Außenband, fand nur Überreste, alles klar. sommerferienlange Pause.
Pause? Von wegen. Seitdem psychische und physische Tortur. Täglich zum Olympiastützpunkt und zurück. Mit nur einem Knie. In den ersten zwei Wochen brauchte ich für eine Stufe allein die Zeit von zwei normalen Doppelstufenschritten. An- und Abreise zum OSP allein wären noch erträglich. Pillen schlucken, Salben, Hochlegen (und Hochlegen kann schrecklich sein!), Eis, Krafttraining, Strom. Gutgut. Aber dann der See. Also die Frage: Wie kann ich ohne Beine den Puls auf Ausdauerniveau heben? Einbeinig Radfahren? Riesenidee. Sieht Scheiße aus und ist sauanstrengend. Und bringt den Puls nicht hoch. Also Rudern. Ganz ohne Beine (weil: wo eins gestreckt, da zwei gestreckt). Schulterschmerzen, Gesäßschmerz, das alles schon nach fünf von sechzig Minuten. Und dann noch das Display direkt vor der Nase. Und nichts als der iPod. Da stellt sich kein Lauftraum ein. Lauftraum? Joggingkoma, Runflow, oder so. Aber dazu ein andermal.
Also Praxisabo. Da kommen einem so Welthassgedanken wie: Darf der Arzt eigentlich „Auf Wiedersehen!“ zu seinem Patienten sagen? Es ist halt doch immer traurig, wenn man die Arzthelferinnen gut kennt.
Dreieinhalb Wochen und etliche Höhepunkte später. Etwa der des ersten humanen Treppensteigens nach Urzeiten. Oder erst gestern: Radfahren.
Aber: Während der Fußball-WM kann man sich über die 25 Stromminuten viel besser hinwegretten. Und das Piepsen samt Zielflagge lässt sich ausschalten, hab ich nach vielen Stromeinheiten herausgefunden.
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Ist die Welt überhaupt zu retten?
Emil an Hupe
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