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10.1.2002

DHZ-Interview mit
Hans Baumgartner

DHZ:

Herr Baumgartner, ist es Ihnen in den vergangenen Monaten gelungen, Vorurteile abzubauen, oder treffen Sie mit dem Thema Liga-Reform bei den Vereinsvertretern immer noch auf eine breite Ablehnungsfront?

Baumgartner:

Zunächst möchte ich feststellen, dass wir auf dem letzten Bundestag von den Vereinen den Auftrag erhalten haben, Vorschläge für eine Ligareform auszuarbeiten. Dem Auftrag sind wir nachgekommen und konnten deshalb auch keine Front gegen das Thema Liga-Reform feststellen. Ganz im Gegenteil. Die Resonanz auf und bei unserer Informationsveranstaltungen war überwiegend positiv. Selbst dort, wo mehrheitlich keine Zustimmung zu unseren Plänen erfolgte, gab es eine gute und faire Diskussion. Ich finde, dass wir den richtigen Weg gegangen sind. Aufgrund der Erfahrung von früheren Jahren, wo die Vereine nur unzureichend über die Ligareformpläne des DHB informiert wurde, war es wichtig, dass wir hier aktiv geworden sind, dass wir Ausarbeitungen vorlegt haben und damit in die Verbände gegangen sind.


DHZ:

Und doch wurde Kritik an der DHB-Informationsstreuung laut, die von „zu wenig und zu späten Infos“ bis hin zum Vorwurf, „von Zahlen zugeschüttet“ worden zu sein, reichen.

Baumgartner:

Diese Kritiken habe ich nur einmal gehört. Sie widersprechen sich doch, und ich kann sie auch nicht nachvollziehen. Wir haben die Landesverbände angeschrieben und die Datenbanken mit dem ganzen Zahlenmaterial vor Beginn der Infoveranstaltungen zur Verfügung gestellt. Man konnte sich die Dateien auch aus dem Internet herunterladen, zunächst das Zahlenmaterial, später auch die eigentliche Präsentation der Reformpläne ergänzt um Musterspielpläne. Und schließlich gab es noch die Artikelserie in der DHZ. Also ich glaube, dass wir im Vorfeld des Bundestages gar nicht mehr leisten konnten. Alles ist dargelegt. Ich habe im Übrigen sehr wohl erkannt, dass sich viele Vereinsvertreter mit der Materie beschäftigt haben, mit ganz konkreten Nachfragen und eigenen Rechenbeispielen zu den Informationsveranstaltungen gekommen sind.


DHZ:

Welche Punkte der Reform-Anträge sind im Laufe der Infoveranstaltungen am meisten auf Kritik gestoßen: die einteilige Bundesliga generell, die Phase der Umstrukturierung oder die Saisonverlegung?

Baumgartner:

In der Summe habe ich fast den Eindruck, dass wir mehr Stimmen für die Saisonverlegung bekommen als für die eingleisige Feld-Bundesliga. Und es hat sich herausgestellt, dass die große Mehrheit bei den Herren lieber eine einteilige 1. Bundesliga mit 12 Mannschaften als mit zehn haben will. Bei den Damen kam wiederholt der Vorschlag, den Regionalligameistern durch Relegation den Aufstieg in die 1. Bundesliga zu ermöglichen. Was das Thema Kosten angeht, so drückt die Vereine offenbar weniger der Schuh bei den ggf. etwas höheren Reisekosten gegenüber dem Ligasystem aus dem Jahre 1999, sondern es geht um den sonstigen Aufwand wie Entschädigungen für Spieler oder Investitionen für „Spielerkäufe“, die durch eine eingleisige Liga eventuell gesteigert werden könnten. Ich denke, dass es in Zukunft Vereine geben wird, die sich im wesentlichen mit Studienbeihilfen, Jobvermittlung oder sonstigen Zuschüssen für Spieler in der Bundesliga halten. Und es wird Vereine geben, die sich vorwiegend mit ihrer guten Jugendarbeit behaupten werden. Und schließlich wird eine Mischung aus beidem existieren. Wir haben einen ganz normalen Wettbewerb, zu dem auch der Wechsel gehört: der Wechsel von Spielern, aber auch der Wechsel von Mannschaften in der Spitzenliga. Diese verschiedenen Systeme und Erscheinungen gab es bisher schon, und da wird auch eine eingleisige Bundesliga im Grundsatz nichts ändern.


DHZ:

Was sagen Sie zu dem Einwand, dass eine eingleisige Topliga das Halbprofitum fördert und immer mehr „weiße Flecken“ auf der Bundesliga-Landkarte hervorrufen wird, sprich, dass nur noch Teams aus großen, finanzkräftigen Vereinen der Zentren wie Hamburg, Berlin oder West in der 1. Bundesliga spielen werden?

Baumgartner:

Es scheint fast so, als sei die 1. Bundesliga das allein Seligmachende, und der Rest darunter wäre nur Elend. Dagegen wehre ich mich vehement. Zumindest die 2. Bundesliga ist auch noch eine echte Leistungsliga. Und was die weißen Flecken angeht: Nur fünf Prozent aller deutschen Hockeyvereine spielen in der ersten Liga, da kann man schon beim bisherigen System nicht von flächendeckender Präsenz sprechen. Im Übrigen würde durch eine Ligareform die Zahl der Bundesligisten insgesamt bei den Herren nicht verändert und bei den Damen durch die Einführung einer 2. BL sogar erhöht. Von einem Halbprofitum sind wir auch bei einer eingleisigen Liga noch weit entfernt.


DHZ:

Skeptiker sagen auch, dass vielen Vereine mehr denn je die Motivation genommen wird, Anstrengungen in der eigenen Jugendarbeit zu forcieren, weil die guten Spieler ohnehin von den „Großen“ abgezogen würden.

Baumgartner:

Es stimmt doch nicht, zu behaupten, dass Jugendarbeit keinen Sinn mehr machen würde. Nur ein Beispiel: Der Nürnberger HTC ist mit seinen A-Knaben in der Feldsaison 2001 Deutscher Meister und mit der B-Jugend Deutscher Vizemeister geworden. Meinen Sie, dieser Verein hätte keine Motivation, leistungssportliche Jugendarbeit zu betreiben, nur weil seine 1. Herren zur Zeit lediglich in der Regionalliga spielen oder der ein oder andere Spieler im Erwachsenenalter einmal den eigenen Verein verlassen wird? Ich bin fest davon überzeugt, dass starke Jugendarbeit auch in einem neuen Ligasystem ihren großen Wert beibehalten wird. Es ist doch gut so, dass die Jugendnationalspieler aus über 100 verschiedenen Vereinen kommen und nicht nur von 16 Bundesligisten.


DHZ:

Wer garantiert, dass die Mannschaften, die in der 1. Bundesliga spielen würden, tatsächlich auf einem höheren Niveau als bisher spielen und mehr trainieren werden?

Baumgartner:

Es ist ja unser primäres Ziel, dass wir mehr Feldhockey als bisher haben, eben nicht nur netto zehn Wochen im Jahr, sondern 15 bis 17. Dadurch, dass es mehr Spiele und über einen längeren Zeitraum gibt, wird auch mehr und länger trainiert. Dieses macht die Mannschaften stärker. Und natürlich gehe ich davon aus, dass eine kleinere Topliga den Leistungsdruck insgesamt erhöht, dass eben das dritte Mannschaftstraining in der Woche obligatorisch wird. Bislang wird das in den Clubs wohl angeboten, aber kaum genutzt. Der normale Nur-Bundesliga-Spieler trainiert doch bislang höchstens zweimal die Woche. Wenn dieser im Vergleich zu den Nationalspielern (absolvieren inklusive individuellem Programm sieben bis acht Einheiten die Woche) geringe Umfang künftig leicht erhöht wird, muss doch ein Verein nicht gleich Honorare bezahlen. Das ist in Holland übrigens auch nicht so. Dort können zwar die Nationalspieler vom Hockey leben, aber die normalen Clubspieler selbst in der höchsten Liga werden nicht bezahlt. Und letztlich wird es, mit oder ohne Ligareform, in Deutschland weiterhin Vereine geben, die ihren Spieler materiell unter die Arme greifen, und Clubs, die keinerlei solche Leistungen bringen, wo die Spieler eben nur aus Spaß am Sport und der Leistung mitziehen.


DHZ:

Werden denn auch tatsächlich alle Topspieler in die 1. Bundesliga wechseln? Der langjährige Damen-Bundesligatrainer Thorsten Hautzel meint, dass im weiblichen Bereich die wenigsten Spielerinnen sofort einen unterklassigen Verein wechseln würden, nur um in der ersten Liga zu spielen.

Baumgartner:

Ich glaube schon, dass es einen verstärkten Zugeffekt Richtung erste Liga geben wird, aber natürlich werden nicht alle guten Spieler unterhalb der Topliga wechseln. Auch eine 2. Bundesliga, deren Termine mit der 1. Liga und dadurch mit dem internationalen Kalender abgestimmt sein werden, ist attraktiv. Bei den Herren könnte die „Wanderbewegung“ wohl auch deswegen stärker werden, weil hier die finanziellen Möglichkeiten der Vereine größer sind.


DHZ:

Sie behaupten, dass bei einer eingleisigen und vergrößerten 1. Bundesliga die Bundestrainer weniger Maßnahmen mit den Kaderspielern machen werden. Was macht Sie da so sicher? Baumgartner: Es sind im Wesentlichen zwei Gründe, die klar dafür sprechen: Erstens droht alleine von der Finanzierungsseite, dass sich die Nationalmannschaften einen solchen Aufwand mit 100 bis zu 130 zentralen Maßnahmentagen im Jahr nicht mehr leisten können. Dies war zuletzt auch nur noch durch einen extremen Sparkurs möglich. Zweitens wäre durch eine vergrößerte Bundesliga auch weniger Zeit für Lehrgänge etc. vorhanden. Das Ziel ist ja, dass die Nationalspieler ihre insgesamt notwendigen Trainingsumfänge durch etwas mehr Arbeit im Verein und dadurch etwas weniger DHB-Maßnahmen kompensieren. Und schließlich: Die Interessen der Bundesliga sind in den vergangenen Jahren bei der Terminplanung des DHB nicht immer optimal vertreten gewesen. Dies wird in einer eingleisigen Liga und durch die Institution „Vorstand Bundesliga“ besser werden.


DHZ:

Werden die Chancen in punkto Vermarktung und Medienpräsenz bei einer eingleisigen Bundesliga von Ihnen nicht zu rosig beurteilt?

Baumgartner:

Das sagen die Pessimisten. Es geht ja auch nicht darum, dass wir sofort mit großen Berichten im Fernsehen sind. Aber man hätte die Chance, mit einer eingleisigen Liga in die Ergebnis- und Tabellenblöcke bei ARD-Sportschau oder ZDF-Sportstudio zu kommen. Dies sowie wieder erfolgreichere Nationalmannschaften verbessern die Identifikation und das Image unseres Sportes in Deutschland. Und das nützt auch dem kleinsten Hockeyverein.


DHZ:

Ein Hauptkritikpunkt an der Liga-Reform ist ja die These, dass internationaler Erfolg mit dem nationalen Spielsystem praktisch nichts zu tun habe.

Baumgartner:

Die Platzierungsstatistik im weiblichen Bereich ist ja so eindeutig. Da ging es in den vergangenen zehn Jahren bei WM, EM und Olympia sowohl im C- als auch im A-Kader nur bergab. Im männlichen Bereich ist es nicht so krass, aber zumindest bei Olympia und Weltmeisterschaften als wichtigstem Turniere war ebenfalls ein Abwärtstrend sichtbar. Wir betreiben seit Jahren eine gefährlich schmale Gratwanderung. Nachwuchs für die A-Nationalmannschaften kam praktisch nur noch über die C-Kader und die darunter organisierten Sichtungssysteme. Für einen normalen Bundesligaspieler ist die internationale Ebene viel zu weit entfernt. Davon müssen wir weg kommen, indem wir die Bundesliga stärker machen (ein ganz primäres Ziel unserer Reform) und dadurch die Kluft zwischen nationalem und internationalem Niveau zumindest etwas verkleinern. Dann kann es auch wieder mehr für die Nationalteams geben.


DHZ:

Ein Wort noch zur Saisonverlegung. Hier wären ja alle Erwachsenenmannschaften, nicht nur die Bundesligisten betroffen. Kritisiert wird, dass nun eine Trennung zwischen dem Spieljahr der Jugend (April bis Oktober) und der Erwachsenen (August bis Juli) geplant ist.

Baumgartner:

Als vor 20 Jahren die Umstellung gemacht wurde, hat man das vorwiegend und sinnvollerweise wegen der Jugend gemacht, und die Erwachsenen sind damals eben mitgenommen worden. Ich denke, dass in der Summe weit mehr Vor- als Nachteile damit verbunden sind, wenn wir die Erwachsenen nun wieder in das alte System zurückführen. Es ist über den Sachverhalt schon viel gesagt und geschrieben worden (DHZ 41), deshalb hier ergänzend nur noch drei Punkte. Erstens können die Regional- und Landesverbänden praktisch zu den exakt gleichen Terminen spielen wie bisher. Für eine Oberligamannschaft hat es doch relativ wenig Bedeutung, ob die Feldmeisterschaft komplett im Kalenderjahr liegt oder über den Jahreswechsel andauert. Zweitens hätten wir für den Bundesligabereich bessere, flexiblere Möglichkeiten der Saisonplanung, weil man Terminblöcke – in Abstimmung mit internationalen Verpflichtungen – besser über die Jahresgrenzen schieben bzw. ziehen kann. Und drittens: Wenn wir Deutschen im Gleichlauf sind mit der nationalen Saison der Holländer, Engländer oder Spanier, dann werden wir künftig tendenziell weniger Probleme mit den internationalen Events haben, denn die Terminplaner der FIH und EHF kommen überwiegend aus diesen Ländern.


DHZ:

Wird denn beim Bundestag in Duisburg noch viel inhaltlich diskutiert, oder wäre das alles sinnlos, weil die Delegierten in Ihrem Stimmverhalten ohnehin schon festgelegt sind?

Baumgartner:

Ich schätze, dass ungefähr drei Viertel der Stimmen vorher fixiert sind. Der Rest ist beweglich. Trotzdem glaube ich nicht, dass es stundenlange Diskussionen geben wird. Die Fakten liegen auf dem Tisch, jeder weiß, worum es geht. Was am Samstag noch passieren kann, sind Detail-Veränderungen am vorliegenden Antrag, so beispielsweise die Erweiterung der einteiligen 1. Bundesliga der Herren von zehn auf 12 Mannschaften, was ich persönlich sogar begrüßen würde. Diese Antragsmodifikation ist nach Paragraf 6 der Geschäftsordnung für die Bundestage ausdrücklich erlaubt.


DHZ:

Was sagt Ihr Gefühl: Sind die Chancen, eine Mehrheit für das Reformpaket zu bekommen, gestiegen?

Baumgartner:

Nach neun Informationsveranstaltungen sehe ich der Sache einigermaßen optimistisch entgegen. Ohne eine solche Informationsreihe wären wir wohl chancenlos gewesen, so aber hat bei vielen ein Umdenken stattgefunden. Viele erkennen die Notwendigkeit eines solchen Schrittes für den DHB. Natürlich und verständlicherweise werden beim Abstimmungsverhalten auch Vereinsegoismen eine Rolle spielen. Ich hoffe aber, dass bei den meisten das Gesamtinteresse des DHB und seiner Vereine im Vordergrund steht.


DHZ:

Bundeskanzler Schröder hat im Herbst ein Sachthema (Bundeswehreinsatz im Afghanistan-Krieg) mit der Vertrauensfrage im Bundestag verknüpft, um damit eine Abstimmungsmehrheit einzufordern. Gibt es - übertragen auf die aktuelle Situation im deutschen Hockey - solche strategischen Überlegungen auch bei der DHB-Führung?

Baumgartner:

Es wird keine förmliche Vertrauensfrage geben, und die führenden Leute der Verbandsspitze werden so etwas wohl auch nicht öffentlich aussprechen. Aber sie werden die Delegierten in Duisburg schon daran erinnern, dass die DHB-Führung im vergangenen Jahr mit viel Lorbeeren im Amt bestätigt wurde und es jetzt von Seiten der Basis angebracht wäre, Vertrauen zu zeigen. Vertrauen zu einem Konzept, in das viel Arbeit und Gedanken eingeflossen sind und von dem wir glauben, dass das deutsche Hockey damit den richtigen Weg geht.


Uli Meyer

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