Samstag, 9.3.2002
Unsere Weltmeistermannschaft
Eine erste Würdigung von Teammanager Dieter Schuermann
Nachdem das Endspiel nun schon einen halben Tag und eine ganze Nacht her ist,
wäre ein Spielbericht sicherlich "Schnee von gestern." Sie alle haben
vermutlich die Live-Übertragung der deutschen Fernsehsender miterlebt, so
dass ich Ihnen auch nicht mehr schildern muß, wie das deutsche Team zu diesem
historischen Erfolg kam. Ziehen wir vielmehr ein wenig Bilanz, über das
gestrige Spiel, das Turnier, den Weg dorthin zur Weltmeisterschaft.
Man kann den letzten Erfolg nicht planen, trotzdem hat es im Nachhinein den
Eindruck, der "Meister" Peters hätte alles gewusst und zielstrebig umgesetzt.
Was natürlich nur gelingt, wenn man auch bei der Auswahl der
Persönlichkeiten, die diese Gedanken verinner-lichen und umsetzen, die
richtige Wahl trifft. Peters hat mit seinem Team goldrichtig gelegen. Und
diese Wahl ist nicht nur die der 18 Spieler, die zu den Auserwählten für
Kuala Lumpur gehörten. Es ist die langfristige Selektion der Hockeytalente in
Deutschland, die auch charakterlich in der Lage sind, über einen langen
Zeitraum ohne materielle Anreize sich für ein sportliches Ziel zu engagieren,
ja zu quälen.
Dieses Ziel, Deutschland zum ersten Mal Hockeyweltmeister, haben sich alle
vor gut einem Jahr gesetzt und unter Peters strategischer Planung voll und
ganz verschrieben. Dabei hat Peters immer an die Eigenverantwortung, den
mündigen Spieler appelliert. Spieler, die eigenständig in der Lage sind, auf
dieses Ziel hinzuarbeiten. Wollen wir das an diesem Morgen, an dieser Stelle
nicht vertiefen. Widmen wir uns einfach mal den "Helden von Kuala Lumpur".
Torwarte - Clemens Arnold hat sich unter steter Förderung von TW-Trainer Bernd Schöpf zu
einer echten Nr. 1 entwickelt. Auf den Verlaß ist und auf den sich auch die
Mannschaft verlässt. Hervorragend sein Mitspielen im Kreis. Viele Chancen der
Gegner werden durch sein frühes Herauslaufen und seine besonderen Fähigkeiten
im 1:1 früh vereitelt. Er gehörte zu den stärksten Torhütern dieses Turniers.
Es wird nicht mehr lange dauern, dann werden die Stürmer der Welt vor unserer
Nr. 1 zu zittern beginnen.
Eine ganz undankbare Rolle musste hier Christian Schulte spielen. Wie
hervorragend er die Rolle des ewigen Zweiten gespielt hat, habe ich unter
In-Teames ja schon herausgestellt. Auch gestern und heute morgen sah man
einen einfach rundum glücklichen, zufriedenen Schüti. Einen besseren zweiten
Mann hätte Peters nicht nominieren können.
Kommen wir zur Abwehr, die gestern ihr Welt-Meisterstück abgeliefert hat. Der
gegen Holland so unwiderstehliche Sturmlauf der Australier kam gar nicht erst
in Fahrt. So konzentriert, so aufmerksam haben die Junx um Käpt'n Kunz ihren
Job getan, da brannte trotz der fünf australischen Ecken nichts an. Die über
ein Jahr immer wieder am Video analysierte Abwehrtechnik lässt einen kaum
noch ängstlich werden, wenn zu Recht oder zu Unrecht (wie gestern) Ecke gegen
uns verhängt wird. Die "Abläufer" Christoph Eimer, Michael Green oder Tibor
Weißenborn machen das schon. Und wenn dann doch noch ein Ball aufs Tor kommt,
wir haben ja noch den Clemens.
Super, wie Florian Kunz (der einmal mehr zum "man of the match" gestern
gekürt wurde) mit seiner Abwehr zusammenarbeitet. Wie sie ihm, ohne
Schlägerfoul oder andere Regelwidrigkeiten geduldig begleitend die Gegner zum
Doppeln "zuführen", sein Schläger immer da ist, so dass der nächste Angriff
aufgebaut werden kann. Weltklasse sein Innenverteidiger Philipp Crone, der
gestern fehlerlos spielte, immer wieder vor seinen Gegner kam und abfing, was
in den deutschen Hoheitsbereich kam. Auch unsere Außenverteidiger Weltklasse.
Youngster Timo Weß spielt seinen Job auf der rechten Bahn wie ein Alter. Gab
es zu Beginn des Turniers noch kleine Unsicherheiten, von Spiel zu Spiel
schaltete sich Wesa mehr ins Geschehen ein und spielte routiniert auf dem Weg
nach vorn seine Gegner aus. Da wächst Deutschland schon wieder ein
Riesenspieler heran. Während der andere nun abtreten kann. Kein Spieler hat
in Deutschland mehr gewonnen als Christian Mayerhöfer. Europameister,
Olympiasieger und nun auch Weltmeister. Großartig wie Mayer hier das Turnier
gespielt hat, die linke Seite zugemacht und immer wieder die Angriffe nach
vorn entwickelt hat. Sein Paß auf den Youngster Matthias Witthaus im
Halbfinale brachte den Siegtreffer zum Einzug ins Finale. Ein Riesen-Turnier
hat Björn Emmerling gespielt. Von Anfang an voll im Rennen und in den letzten
beiden Spielen überragend. Mit so viel Vorwärtsdrang, mit so viel Technik,
souverän in der Bedrängnis hinten, virtuos im Spiel nach vorn. Und in den
entscheidenden Phasen gegen Ende des Spiels der Abräumer über das ganze
Spielfeld. Mit vollem Engagement, kampfstark, aber technisch perfekt.
Das Mittelfeld hat eine unglaubliche Leistung in den 9 Spielen hier
vollbracht. Läuferisch, technisch, kämpferisch, strategisch. Da muß ich bei
meinem (ich bekenne) Lieblingsspieler Christoph Eimer anfangen. Er ist nie
dabei, wenn die "Hockeyspieler des Jahres, die "man of the match", etc.
nominiert werden. Dabei ist er der Lenker und Denker unseres Spiels. Kein
Angriff, der nicht über ihn eingeleitet wird. Quarterback-gleich entscheidet
er, ob das Spiel schnell gemacht wird oder nicht. Wohin die Reise geht.
Unnachahmlich seine Fähigkeit der Ballsicherung. Perfekt seine Technik, die
er nie spektakulär, aber immer mit höchster Effizienz im Dienste der Sache
einsetzt. Die Zielstrebigkeit in Person. Und auch derjenige, der weiß, wann
einmal ein taktisches Foul zu setzen ist, ohne Gefahr zu laufen, dafür mit
einer Karte bestraft zu werden. Er läuft die gegnerischen Ecken perfekt ab
und ist auch vorn zur Stelle. Wenn das Wort vom verlängerten Arm des Trainers
auf dem Spielfeld gilt, dann bei Shneez.
Neben ihm auf der rechten Seite unser noch Zwanzigjähriger, Tibor Weißenborn.
Auch er hat ein Turnier an der oberen Leistungsgrenze gespielt. Er hat
sicherlich die meisten Kilometer aller Turnierspieler auf seinem "Tacho".
Immer konzentriert, immer wieder in der Lage, Fehler des Gegners zu erahnen,
Bälle abzufangen und schnelle Konter einzuleiten. Unwiderstehlich sein Drang
nach vorn, viele Male kam er, ob über rechts oder links, in den gegnerischen
Schusskreis und sorgte dort für Gefahr. Für Kontinuität an Weltklassespielern
auch in Zukunft ist gesorgt.
Auf der anderen Seite unser Dr. Green. Alle Weltklassestürmer fürchten, gegen
ihn antreten zu müssen. Aber auch im Spiel nach vorn war Michael aktiv wie
selten. Unnachahmlich wie er ohne Schlägerkontakt den Gegnern selbst bei
höchster Geschwindigkeit den Ball aus dem Schläger nimmt. Ein
Riesenaktivposten im deutschen Spiel. Eine konstant gute Leistung über alle
Spiele.
Das gilt auch für die beiden anderen Mittelfeldspieler, Sebastian Biederlack
und Jami Mülders. Jami konnte es gestern immer noch nicht fassen. Vor einem
knappen Jahr von Bernhard Peters als Quereinsteiger wieder nominiert, hat er
sich von Maßnahme zu Maßnahme stabilisiert und sich letztlich qualifiziert.
Er ist auf jeder Position einsetzbar und besticht durch seine Kreativität im
Spiel nach vorn, aber auch sein Verständnis für das Spiel. Sebastian
Biederlack hat sich ebenfalls fest in die Formation gespielt, leistet ein
Riesenpensum und ist vor allem als Mittelmann gefragt, wenn Christoph Eimer
einmal eine Verschnaufpause braucht. Der Hamburger ist ein ganz
zurückhaltender, angenehmer junger Mensch, der nur im Spiel sich mehr und
mehr in die Chef-Rolle hineinspielt. Auch hier ein Scheck für die
DHB-Herren-Zukunft.
Angriff - Björn Michels Rolle als Stürmer habe ich ja bereits in einigen Spielberichten
herausgestellt. Er war während des gesamten Turniers voll da, die
Zuverlässigkeit in Person. Immer anspielbar, immer mit gescheiten Pässen,
viele Tore sind seiner Vorarbeit zu danken. So nebenbei war er auch noch
unser Goalgetter Nr. 1. Nicht ganz so rund lief es in vielen Spielen bei Oli
Domke. "Aber was nützt mir das, wenn ich wie bei der letzten WM zum Spieler
des Turniers gewählt werde, aber wir 5:1 gegen Spanien im Halbfinale
verlieren", seine realistische Einschätzung. Und gestern traf der Oli wieder.
Nicht spektakulär, wie es seine Torschussart sonst ist, sondern einfach im
richtigen Moment über die Linie gedrückt. Das Zuspiel natürlich wieder von
Björn Michel. Und dieses Tor bleibt sicher das wichtigste in seinem Leben,
das Tor, das Deutschland die erste Weltmeisterschaft im Hockey brachte. Das
Helmut-Rahn-Tor des deutschen Hockeys. Auch sein blonder Sturmkollege Sascha
Reinelt mit Höhen und Tiefen in diesem Turnier. Ein wenig unglücklich im
Abschluß, aber sowohl Sascha als auch Oli mit unglaublich viel Abwehrarbeit.
Immer wieder gingen sie weite Wege bis ganz nach hinten. Fingen viele
Angriffe ab und sorgten immer wieder für Druck nach vorn.
Ein Erfolgsgeheimnis von Peters liegt sicherlich auch in der konsequenten
Nutzung des interchanging. Keine Nation konnte es sich leisten, so häufig wie
wir zu wechseln. Vor allem, weil sie nicht hinreichend Stürmer auf
internationalem Niveau gefördert hatten. So entsteht überhaupt kein Bruch im
deutschen Spiel, wenn gewechselt wird. Besonders die Stürmer profitieren
davon, wenn sie immer wieder frisch ins Rennen kommen. Und die gegnerischen
Verteidiger müssen sich erneut auf einen anderen Stürmertypen einstellen. Zum
Beispiel den "Zocker" Bechmann, der es hervorragend verstand, auf "Ecke zu
gehen", aber auch mit entscheidenden Toren mithalf. Oder Christian Wein, den
man gestern energisch wie nie zuvor sah. Viele Zweikämpfe für sich entschied
und entschlossen abzog. Und Matthias Witthaus, der von Spiel zu Spiel stärker
wurde, und ein echter Turnierspieler ist. Noch so ein 20-Jahre-Juwel.
Da muß man um die Zukunft des deutschen Hockey nicht bangen. Bundes-Bernie
bastelt sicherlich schon am Team 2003 für die EM in Barcelona. Viele Faktoren
haben zu diesem Erfolg beigetragen. Ich wollte sie an dieser Stelle heute
morgen eigentlich einmal namentlich machen. Aber es ist schon wieder sehr
hektisch. Anrufe von Journalisten. Ein Glückwunschfax des Bundeskanzlers.
Viel noch zu organisieren. Ich werde in Ruhe von zu Hause noch einmal alles
würdigen. Schauen Sie noch einmal rein auf "unsere Seite".
Wir danken allen, die zu diesem einzigartigen Erfolg beigetragen haben. Auch
Ihnen allen daheim für Ihre Anteilnahme. Morgen früh um 5.30 Uhr werden wir
wieder in Frankfurt landen. Bereiten Sie unseren Weltmeistern an ihren
Heimatorten einen angemessenen Empfang. Die Junx haben es verdient.
Bleiben Sie uns verbunden
HockeyHerzlichst
Dieter Schuermann
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Der Erfolg in Kuala Lumpur basiert auf viel Mithilfe, allen einen herzliches
» Dankeschön
TORWARTE
Clemens Arnold
Christian Schulte
DIE ABWEHR
Florian Kunz
Philip Crone
Timo Weß
Christian Mayerhöfer
Björn Emmerling
MITTELFELD
Christoph Eimer
Tibor Weißenborn
Dr. Michael Green
Sebastian Biederlack
Jamilon Mülders
ANGRIFF
Björn Michel
Oliver Domke
Sascha Reinelt
Christoph Bechmann
Christian Wein
Matthias Witthaus
BUNDESTRAINER
Bernhard Peters
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