Nr. 49 - 2. September 2003

   

Björn Michel - Bomber der Nation?

Torjäger, Bomber, Torschützenkönig – alles Begriffe, die nicht so recht zu Björn passen wollen. Ganz unspektakulär tritt er auf, gar nicht glamourös zelebriert er seine Tore. Was wäre wohl im Fußball, was wäre auch bei anderen Hockeyspielern dieser Welt und auch in Deutschland los, wenn einer sein 200. Länderspieltor erzielt hätte – wie gestern zum wichtigen 1:1 gegen die Belgier geschehen? Fast unbeachtet. So auch dieses Eckentor. Wir stritten uns auf der Tribüne noch, ob der Ball links oben oder rechts oben eingeschlenzt worden war. Die bescheidene Antwort von Björn: „Ziemlich in der Mitte, ich habe den Torwart nach links geschickt und dann dorthin geschlenzt, wo er vorher stand.“

Genaue Beobachtung, zielstrebige Karriereplanung, die absolute Fitness, immer wenn es darauf ankommt, das zeichnet den 28-Jährigen sportlich aus. Bundestrainer Peters lobt besonders seine Fähigkeit, im entscheidenden Moment voll da und bei der Sache zu sein. „Er ist einer der weltbesten Eckenschützen, mit Christian Wein zusammen unser dribbelstärkster Stürmer. Und er hat einen Torriecher. Bei entscheidenden Turnieren und Spielen ist er immer 100 % fit und bei der Sache.“ So sind die 200 Tore, die er in seinem bisher 296 Länderspielen (Mayo, im nächsten Jahr biste fällig) erzielt hat, fast folgerichtig. Björn, nie zur Euphorie neigend, spielt auch gleich wieder herunter. „Nun, da sind auch 40 Hallentore dabei, die haben die anderen nicht.“ Aber auch mit dem „verbleibenden Rest“ ist er weit vorn. Das Verhältnis Ecken-/Feldtore 2/3 - 1/3. Während der WM in Malaysia überholte er die bis dahin in der ewigen Torschützenliste Führenden Wolfgang Strödter (154) und Calle Fischer (155 Tore). Nun ist es nicht mehr weit bis zum 2000., das die spanische Stadionsprecherin ihm schon gestern in schlechtem Englisch zuschrieb.
Erinnert man sich bei so vielen Toren (bei unserem Mike könnte ich es mir vorstellen) noch an die einzelnen? Ich bin immer wieder erstaunt, wie gut das Gedächtnis der Spieler für all ihre Länderspiele und Spielsituationen ist. Ohne lange zu überlegen, wusste Björn sofort, wann er das erste Mal international „torte“. „Es war in meinem ersten Ländspiel im Frühjahr 1993. Nach dem Rücktritt von Calle Fischer und vielen anderen Olympiasiegern fuhr auch damals ein Perspektivteam Deutschlands zur Champions Trophy in Malaysia und vorher absolvierten wir noch einige Länderspiele in Neuseeland und Australien.“ Das erste Tor erzielte er in Auckland mit einer verwandelten Ecke. Und er hat sogar noch das Bild vor Augen. „Handschuhseite oben, Schlagtäuschung, dann geschlenzt.“ Damals wurden Ecken noch überwiegend geschlagen.

Das Eckenverhalten hat sich seitdem radikal verändert. Ganz selten wird noch geschlagen, die bis 1993/94 bevorzugte Eckentorschusstechnik. Sein letztes Eckentor hat er 1999 geschlagen. Auch viele andere wichtige Tore waren ihm sofort präsent. So das einzige und ungeheuer wichtige Tore beim 1:0-Sieg gegen die Niederlande bei der WM 2002. Oder das 1:0 bei der WM `98 im Spiel um Platz 3. Gleichwohl war er nur selten Torschützenkönig. In der Bundesliga schon gar nicht („im Verein spiele ich eher zurückgezogen“), bei internationalen Turnieren nur selten (da war dann meisten ein „shooting star“ vorn, der dann aber auch ebenso schnell seinen Zenit überschritten und sein Pulver verschossen hatte). Für mich eindrucksvoll, wie er beim Azlan-Shah-Cup 2001 in Kuala Lumpur „vom Laptop aufs Spielfeld sprang“ (damals bereitete er, wie vor wenigen Tagen Mannschaftskamerad Shneez, das medizinische Staatsexamen vor) und Tore ohne Ende schoss und zusammen mit Abbas Torschützenkönig wurde.
Dreimal machte er vier Hütten in einem Spiel, auch an solche Ereignisse erinnert sich des Spitzensportlers Hirn sofort. Nachdem er nun in Turin sein Praktisches Jahr absolviert hat, steht jetzt die „Arzt im Praktikum“-Phase bevor. Freundin Alexandra, die mit ihm synchron studiert und in den Beruf gestartet ist, wird damit demnächst in München beginnen. Gemeinsam haben sie sich jetzt in Starnberg niedergelassen und Björn ist zu seinen Hockeywurzeln in den MSC zurückgekehrt. Ob er allerdings die anstehende Doktorarbeit, AIP und Olympiavorbereitung zeitlich wird vereinbaren können, weiß er selbst nicht so genau. Aber Olympia ist das große Ziel, darum wird das „AIP“ evtl. hintan gesetzt. Denn Björn weiß genau, was für ihn gut ist und wie er zum richtigen Moment die beste Form erreicht. Damit auch beim Torschuss das Ergebnis stimmt.


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HockeyHerzlichst

 

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Foto: © Dieter Reinhardt (info@direvi.de), 1999

EM Padua 1999 - Christoph Eimer und Matthias Witthaus


Foto: © Dieter Reinhardt (info@direvi.de), 1999

EM Padua 1999 - Bundes-trainer war 1999 Paul Lissek, hier mit Christoph Eimer


Foto: © Dieter Reinhardt (info@direvi.de), 1999

EM Padua 1999 - alle noch dabei. V.l. Sascha Reinelt, Björn Emmerling, Dr. Lutz Nordmann, Dr. Michael Green, Björn Michel


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