aus der DHZ Nr. 11 vom 21. März 2002
Interview mit Bernhard Peters (Herren-Bundestrainer)
DHZ:
Wie waren die ersten Tage danach?
Peters:
Sie waren schön und hektisch zugleich. Das Telefon ging ständig. Dabei kann man alles immer noch gar nicht richtig fassen und einordnen. Spüren kann ich jedoch eine sehr große, innere Befriedigung.
DHZ:
Besonders schön ist es wohl, morgens aufzuwachen und festzustellen, dass der WM-Titel nicht bloß ein Traum war?
Peters:
Zurzeit träume ich nachts noch immer von irgendwelchen Strafecken und Spielszenen. Das kommt immer irgendwie hoch. Wahnsinn.
DHZ:
Sie haben in Kuala Lumpur in einer der erste Reaktionen gesagt, dass Sie nach dem großen Stress vor allem in den vergangenen drei Wochen vor allem eine große Leere im Kopf wahrnehmen. Fließen die Gedanken mittlerweile wieder?
Peters:
Bei meinen morgendlichen Waldläufen kann ich jetzt gut reflektieren über die WM und die Vorbereitung und komme so langsam wieder in meinen Rhythmus. Ich habe jetzt auch schon mal angefangen, in die Videos reinzuschauen, weil ich das Bundesliga-Trainer-Seminar im April vorzubereiten habe. Jetzt sieht man manches schon wieder mit ganz anderen Augen als noch vor zwei, drei Wochen in der Angespanntheit des Wettkampfes. Aber die Sicht ist jetzt sogar noch positiver. Eigentlich bin ich immer ziemlich kritisch, doch wenn ich jetzt in der Nachbetrachtung sehe, wie die Jungs teilweise den Ball haben laufen lassen, dann ist das schon sehr gut gewesen.
DHZ:
Waren Sie überrascht davon, dass alle Ihre Pläne bezüglich der Mannschaftsleistung, also Steigerung im Turnierverlauf, bestmögliche Leistung am Schluss, mentale Stärke gerade auch bei wichtigen Strafecken, eigentlich komplett aufgegangen sind?
Peters:
Ich versuche schon, das alles systematisch aufzubauen. Es ist ein wichtiges Thema, so viele Komponenten wie möglich auf den entscheidenden Punkt hin am Optimum zu haben. Für solche Sachen glaube ich auch ein gewisses Händchen zu haben. Dass sehr viele Dinge genau aufgegangen sind, dazu gehört allerdings auch ein wenig Glück.
DHZ:
Dennoch hat es auf dem Weg zum Titel des so genannten „Spanien-Effektes“ bedurft. Der Mannschaftspsychologe Lothar Linz meinte später, dass er sich innerlich sogar gefreut habe über diese Niederlage.
Peters:
In dem aktuellen Moment der Niederlage war das schon sehr deprimierend und hart für uns alle, aber Christoph Eimer hat bei einer der Besprechungen vor der WM gesagt, dass wir uns im Klaren sein müssen, dass wir da wohl nicht so glatt durchs Turnier gehen würden wie beispielsweise bei der Champions Trophy oder beim Azlan-Shah-Cup. Im Nachhinein betrachtet war das Spanien-Spiel sicherlich ein Schlüsselerlebnis für alle.
DHZ:
Ist eine Bewertung einzelner Spieler Ihrer Mannschaft angebracht? Oder war es wirklich diese perfekte Mannschaftsleistung, die völlige Verschmelzung zwischen Stammelf und Ersatzspieler, die Deutschland zum Weltmeister machte, wie viele internationale Beobachter lobend herausstellten?
Peters:
Ersatzspieler gibt es bei uns tatsächlich nicht mehr. Von allen 18 beteiligten Spielern war es in Kuala Lumpur perfekte Teamarbeit. Da würde man den spielern nicht gerecht werden, einzelne herauszuheben. Dabei hätten viele das Recht, für ihre sportliche Leistung herausgestellt zu werden. Fast alle haben wirklich an ihrem Optimum gespielt. Eine große Stärke von uns waren diese vielen Wechsel, ohne dass das Tempo oder der Standard im Spiel bie diesen Bedingungen abfällt.
DHZ:
War es für Sie als Trainer schwer, von den gewohnten 16 Mannschaftsmitgliedern auf 18 umzustellen?
Peters:
Wir haben das ja während der WM-Vorbereitung in Südafrika und Spanien geübt. Der Einsatz von 18 Spielern war wegen den klimatischen Bedingungen in Malaysia optimal.
DHZ:
Sie sprechen den schweren äußeren Rahmen an: Wie war es möglich, neun Spiele in 14 Tagen ohne ernsthafte Verletzung und ohne konditionellen Einbruch durchzustehen, im Endspiel gar das höchste Tempo gehen zu können?
Peters:
Dazu braucht man auch Glück. Wie leicht kann es im Hockey vorkommen, dass man Schläger oder Ball voll auf die Hand bekommt. Dann hat man oft keine Chance mehr. Aber es ist bestimmt nicht ausschließlich Glück, sondern auch Erfahrung der Spieler sowie natürlich ein optimaler Zustand im körperlichen wie psychischen Bereich. Hier gilt mein großer Dank an unseren Trainingswissenschaftler Stefan Mücke, weil er mit der Steuerung der Belastung im Ausdauer- und Sprintbereich einmal mehr optimal gearbeitet hat. Erst so war es möglich, dass die Spieler auf den Punkt genau topfit waren.
Überhaupt gilt, dass jeder in seinem Bereich einen erstklassigen Job erledigt hat. Was z. B. Dieter Schuermann als Manager hinter den Kulissen für uns ehrenamtlich leistet, kann ich ich nur als absolut top beschreiben, die Mediziner Dr. Neuking und Plesse wurde bis an die Grenze gefordert und haben echt geschuftet, Bernd Schöpf : Unglaublich, wie sich unter seiner speziellen Trainingsarbeit die Torhüter entwickelt haben, wieviel Selbstvertrauen er Clemens Arnold eingeimpft hat.
DHZ:
Immerhin 14 Spieler der Sydney-Mannschaft waren jetzt noch dabei. Und doch hatte man den Eindruck, es spielte bei der WM eine ganz andere Mannschaft. Was im Wesentlichen haben Sie gegenüber dem deutschen Olympiaauftritt vor 17 Monaten verändert?
Peters:
Die Mannschaft hat sich eine klare Identität gegeben, sie will agressives, offensives, schnelles Hockey spielen. Wir haben uns vor über einem Jahr ein klares Ziel gesetzt, Weltmeister zu werden. Wir alle haben es mit großer Willenskraft und Entschlossenheit umgesetzt. Ich habe Umstellungen innerhalb der Mannschaft vorgenommen, wir haben an allen Kernbereichen der Leistungsentwicklung systematisch mit einem kompetenten Team gearbeitet. Wir haben eine gute, offene Kommunikation zwischen Spielern und Staff gefördert Meine große Leidenschaft für das Ziel WM haben alle Mitarbeiter und Spieler gespürt und sind infiziert worden.
DHZ:
Das Paar Peters/Kunz ist nun nach 1993 (Junioren) zum zweiten Mal Weltmeister geworden. Ist Ihr damaliger und heutiger Kapitän so etwas wie der verlängerte Arm des Trainers auf dem Spielfeld?
Peters:
Florian ist eine herausragende Persönlichkeit, auf den die Jungs wirklich hören. Er besitzt auch eine tolle Art, die Jungs anzusprechen. Das ist für einen Trainer eine unheimlich wichtige Ergänzung. Er hat auch eine große Ausstrahlung als Spieler und war dank seiner enormen mentalen Stärke wie ein Monument in unserer Verteidigung. Ich habe großes Vertrauen in allen Bereichen zu ihm und hoffe, dass er in der Nationalmannschaft weitermacht. Obwohl ich natürlich weiß, wie schwer das für ihn ist.
DHZ:
Was bleibt als Eindruck von dieser 10. WM? Ist eine Turniererkenntnis für Sie überhaupt möglich, weil man doch so fokussiert auf die nächsten eigenen Aufgaben war und wenig Zeit für anderes hatte?
Peters:
Ich habe einige subjektive erste Eindrücke, aber die Wahrnehmung war durch den eigenen Stress tatsächlich ziemlich eingeengt. Man muss das Turnier bestimmt nochmal, auch mit Videonachbetrachtungen, in Ruhe rekapitulieren, um neue Dinge, Weiterentwicklungen oder Trends einordnen zu können. Da bin ich erst noch am Anfang. Die Australier haben wirklich ein beeindruckendes Turnier gespielt, aber Bernd Schöpf hat mir immer wieder gesagt: Die gehen auch nicht ohne Niederlage weg. Und da Australien acht Mal in Folge gewonnen hatte, blieb eben nur noch das Endspiel übrig. Damit hat mich Schöpf immer aufgebaut.
DHZ:
Gut, wenn man solche Unterstützung hat.
Peters:
Ganz klar: Alleine hätte man nichts geschafft. Nur dank solch guter Mitarbeiter wie Werner Wiedersich, Markus Weise oder Uli Forstner, die ihren Job mit Auf- und Vorbereitung der kommenden Spielgegner oder Beobachtung der anderen Gruppe einfach perfekt erledigt haben, war der Erfolg möglich. Wir haben in Malaysia eine ziemlich ausgetüftelte und vertrauensvolle Teamarbeit betrieben. Das gefällt mir sehr, weil das auch widerspiegelt, dass wir eine klare Linie fahren von den Jugendnationalteams bis hoch in den A-Kader.
DHZ:
Ein Blick in die Zukunft: Der Weltmeister Deutschland kann sich im September bei der Champions Trophy im eigenen Land präsentieren.
Peters:
Da steht man unter besonderer Begutachtung. Das will ich den Jungs, die jetzt auf dem Sprung in die Mannschaft stehen, auch klarmachen. Es wird sicherlich Rotationen im Kader geben. Das erhöht die Leistung. Und ich hoffe, dass sich viele Spieler, die jetzt nicht bei der WM dabei waren, schon beim ersten Lehrgang im April entsprechend herausgefordert fühlen, dieses Topniveau anzustreben.
DHZ:
Ein neuer Konkurrenzkampf um die Plätze ist also angesagt?
Peters:
Ja, auf alle Fälle. Erfolg im Hockey ist eine sehr gegenwärtige Erscheinung, morgen müssen wir uns alle wieder beweisen und lernen.
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