aus der DHZ Nr. 11 vom 21. März 2002


Interview mit Uschi Schmitz (DHB-Vorstands-Vorsitzende)


DHZ:
Die ersten Tage nach dem WM-Gewinn waren in der DHB-Geschäftsstelle bestimmt anders als sonst, oder?

Schmitz:
Es war natürlich einiges los. Es haben ganz viele Leute angerufen und gratuliert. Es kamen außerdem eine Menge an Briefen, Faxen und Mails mit Glückwünschen von Firmen, von Landesverbänden und Vereinen sowie von einzelnen Personen. Auch die politische und sportliche Prominenz wie der Bundespräsident, der Bundeskanzler, der Innenminister oder die Präsidenten von DSB und NOK hat ihre Glückwünsche übermittelt. Das war schon toll, wie viele das auch als ihre Sache sehen und sich mit unserer Nationalmannschaft identifizieren. Ein anderer Bereich war das Medieninteresse, das uns nach dem Titelgewinn in einem größeren Umfang erreichte, als wir das erwarten konnten. Aber wir waren nicht unvorbereitet. Auch dank der guten Arbeit unserer Medienagentur dha, die für den Erfolgsfall Konzepte in der Tasche hatte und ständig Kontakt zu den Redaktionen unterhielt, beispielsweise gab es neun verschiedene TV-Sendungen, bei denen einzelnen Spieler des WM-Teams zu Gast waren. So kommen wir auch in den Medien ein großes Stück voran.

DHZ:
Stichwort Medien. Hockeyfans in der Heimat haben aber auch schon ihrem Unmut freien Lauf gelassen, dass während der zwei WM-Wochen so wenig im Fernsehen zu sehen war. Auch DHB-Präsident Christoph Wüterich hat in einem Zeitungsinterview während der WM harsche Kritik an den deutschen TV-Anstalten geübt.

Schmitz:
Ja, wir sind von daher unzufrieden, weil wir meinen, dass sich die Öffentlich-Rechtlichen immer den Kuchen bei Olympia herauspicken. Dort wird viel Hockey übertragen, wir sind immer quotenträchtig, weil wir meist sehr erfolgreich waren, da hat sich das Fernsehen sehr gerne um uns gekümmert. Aber in den Jahren dazwischen haben wir so gut wie keine Übertragungszeiten, die Bundesliga findet in den Medien nicht statt und von den Endspielen und Länderspielen gibt es höchstens regional kurze Zusammenfassungen. So etwas passt ja auch nicht zum öffentlichen Sendeauftrag. Wirklich breit zu informieren, diese Aufgabe wird einfach nicht erfüllt. Weil wir die Problematik kennen, haben wir sehr früh versucht, hier tätig zu werden. Erste Gespräche gab es im August 2001, und ab November wurde ganz intensiv über die WM 2002 mit den Sendeanstalten und der Rechteagentur SportA gesprochen. Mit Hermann Ohletz (ZDF) und Hendrik Deichmann (NDR) hatten wir zwei sehr aktive Mitstreiter, die sich sehr bemüht haben und Pläne erarbeiten haben, wie Hockey in den Programmplätzen untergebracht werden kann.

DHZ:
Und trotzdem kam nicht eben viel rüber.

Schmitz:
Bis zum Finale blieb es bei kurzen Sequenzen in den Morgen- und Mittagsmagazinen und in den Nachrichtensendungen von ARD und ZDF. Dort erreicht man aber wenigstens eine breite Bevölkerungsschicht. In einer richtigen Sportsendung sind wir zunächst nur mit dem Holland-Spiel in der ZDF-Sportreportage aufgetaucht. Das Finale wurde dann sowohl von ARD als auch ZDF abgedeckt, und auch die Nachlese wie beispielsweise der Empfang der Mannschaft in Frankfurt hat den Umfang auf insgesamt rund 60 Sendeminuten hochgeschraubt. Das ist im Vergleich zur WM 1998, wo gar nichts kam, eine deutliche Steigerung und trotzdem nicht befriedigend für eine Weltmeisterschaft, bei der Deutschland ja auch als echter Titelkandidat hineingegangen ist. Da stehen wir mit unserer Unzufriedenheit nicht alleine, vergleichbare Verbände und auch der Deutsche Sportbund sehen das ähnlich wie wir. Vielleicht schaffen es solche öffentlich gemachten Aussagen wie die von Christoph Wüterich, den einen oder anderen wachzurütteln.

DHZ:
Ein wenig Kritik kam ja auch hockeyintern, dass der DHB im Vorfeld zu wenig getan hätte.

Schmitz:
Das muss ich ganz klar zurückweisen. Die Vorarbeit war durch den DHB selbst, durch die dha und durch die uns wohlgesonnenen TV-Reporter gut, aber was die Programm-Macher in den Sendeanstalten dann eben entscheiden, ist leider nicht beeinflussbar. Und in Kuala Lumpur haben wir auf alle möglichen Sonderwünsche des Fernsehens mit viel Zeit und Aufwand reagiert. Leider änderten sich die TV-Planungen nahezu stündlich und haben zu sehr viel Hektik geführt. Wir waren aber gut vorbereitet und die Konzepte und Maßnahmen bei einem eventuellen Titelgewinn lagen schon vor der WM in unseren Schubladen.

DHZ:
Was können nun unsere Vereine aus dem 1. WM-Gewinn machen?

Schmitz:
Ich denke, wir haben nun eine große Chance kurzfristig und sehr zeitnah die Euphorie für Popularität und Mitgliederwerbung auszunutzen. Die Vereine sollten versuchen jetzt Aktionen an Schulen zu starten, zu Werbeveranstaltungen in den Vereinen einzuladen und Hockey an vielen Stellen in den Städten zu positionieren. Wir wissen, dass es in vielen Vereinen Aktivisten wie die Ledwigs, Brunderts, Bluncks und vielen mehr gibt. Schön wäre, wenn diese Freunde des Hockeys nun in ihrem Umfeld Menschen motivieren könnten, die diesen herausragenden Erfolg unserer Mannschaft auszunutzen. Der DHB kann Tipps und Hilfen geben; wir haben ausreichend Ideen zur Durchführung von Veranstaltungen in Schule und Verein, in Halle und Feld erarbeitet, wir können Infomaterial, Aufkleber, Plakate und druckfrische Weltmeister-T-Shirts liefern, aber die Umsetzung kann nur an der Basis in den Vereinen selbst erfolgen. Den aktivsten Verein möchten wir durch eine Einladung zur Chmpions Trophy im September in Köln belohnen.

DHZ:
Die Freude über den WM-Titel dürfte bei der DHB-Führung sicherlich in mehrfacher Hinsicht groß gewesen sein, war er doch auch eine Bestätigung für den damals nicht ganz unumstrittenen Wechsel von Paul Lissek zu Bernhard Peters. Empfinden Sie Genugtuung?

Schmitz:
Das ist das falsche Wort. Es ist für uns eine Bestätigung, dass wir damals die richtige Entscheidung getroffen haben. Bernhard hat seit seiner Amtsübernahme sehr viel im A-Kader verändert, hat sehr viel Konzeptionelles erarbeitet und sicherlich auch das richtige Team zusammengestellt, um diesen Erfolg zu haben. Ich habe mit Paul in Malaysia gesprochen und denke, dass bei ihm der Groll auch so langsam etwas weniger wird.

DHZ:
Der WM-Titel ist für den DHB sicherlich eine willkommene Unterstützung bei der Suche noch einem neuen Hauptsponsor ab 2003.

Schmitz:
Das hoffen wir. Aber wir müssen jetzt natürlich ganz hart arbeiten, um diesen sportlichen Erfolg in unserem Sinne umzusetzen. Es sind schon diverse Telefonate gelaufen, um an verschiedenen Türen anzuklopfen. Sehr positiv ist, dass wir bald die Champions Trophy im eigenen Land haben werden und wir eine gute Verkettung sehen. Der WM-Titel hilft der Trophy, andererseits kann in Köln auch ideal der Weltmeister präsentiert werden. Durch den WM-Titel ist Interesse geweckt, und bei der Champions Trophy kann ein potenzieller Partner sich schon direkt beteiligen oder zumindest sich einmal anschauen, wer der DHB ist, was er kann und wie er sich präsentiert. Über diesen Weg hoffen wir, bis Beginn 2003 neue Partner zu gewinnen. Das ist die Zielsetzung.

DHZ:
Bestimmt erhöht der WM-Titel auch die deutschen Chancen auf die Ausrichtung der Weltmeisterschaft 2006.

Schmitz:
Hier stehen verschiedene falsche Informationen im Raume, deshalb möchte ich einfach mal den aktuellen Stand erläutern: Alle 120 Mitgliedsverbände waren aufgefordert bis zum 15. 2. 2002 dem Weltverband FIH mitzuteilen, an welchen Veranstaltungen sie in den nächsten drei Jahren Interesse haben. Innerhalb dieser Abfrage haben wir Interesse an der Weltmeisterschaft 2006 für Damen und Herren bekundet. Mehr ist bisher noch nicht passiert. Es wird in den nächsten Monaten eine offizielle Anfrage von der FIH kommen, wo wir dann eine offizielle Bewerbung erarbeiten müssen. Von der Champions Trophy 2002 und der Hallen-WM 2003 wissen wir ja, dass dies ein umfangreiches Dokument ist, und bei einer Doppel-WM wird das bestimmt noch viel größer. Dafür werden wir hart arbeiten müssen, weil in einer solchen Bewerbung bereits viele Details und die wichtigen Etatfragen geklärt sein müssen. Von daher hoffen wir, dass wir die WM-Bewerbung nicht vor der Champions Trophy abgeben müssen.

DHZ:
Die DHB-Spitze, namentlich Präsident Wüterich, Vize Hürter und Sie selbst, haben in Malaysia Werbung für den DHB betrieben. Wie kam das an?

Schmitz:
Wir haben die Chance intensiv genutzt, viele Gespräche zu führen. Es verging kein Tag, an dem wir und auch Wolfgang Rommel und Lutz Nordmann nicht mit irgendwelchen Leuten aus der FIH und dem internationalen Hockey zusammengesessen und unsere Positionen dargestellt haben. In einer Präsentation haben wir die generelle Situation im DHB, die Champions Trophy 2002 und die Hallen-WM 2003 sowie auch die Pläne des neuen Stadions in Mönchengladbach vorgestellt. Wenn man die Aussagen einiger FIH-Funktionäre zwischen den Zeilen deutet, dann sagen sie: Ihr seid einfach mal dran, in Deutschland hat es – zumindest im Herrenbereich – noch nie eine Weltmeisterschaft gegeben. Und ich denke, man traut es uns auch zu. Ganz entscheidend wird aber sein, wie wir die Champions Trophy hinbekommen, wie wir sie organisieren und wie sie ankommt. Das wird sicherlich die Visitenkarte für unsere WM-Bewerbung sein.

DHZ:
Will der DHB tatsächlich eine Doppel-WM ausrichten?

Schmitz:
Ja, das ist derzeit unsere Vorstellung. Natürlich wissen wir, dass es mehrere Kandidaten gibt, aber gegenüber vielen Bewerbern haben wir einfach ein klares Plus. Ich bin ganz optimistisch, dass wir in acht Monaten beim FIH-Kongress anlässlich der Damen-WM in Perth den Zuschlag bekommen. Das wäre natürlich toll.


Das Interview führte Uli Meyer, DHZ-Chefredakteur

 

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