Dienstag, den 30.7.2002

Die wahren Profis


Bundes-Bernie hat seine Junx gestern so platt gemacht, dass weder Zeit noch Kraft für die kleinen Begebenheiten nebenher war. Drei Trainingseinheiten standen gestern auf der Tagesordnung, dazu die malayischen Klimabedingungen hierzulande, verbunden mit Blitz und Donner am Nachmittag. Selbst da wollte der Chef nicht Einhalt gebieten, auch wenn der furchtsame Olli Domke mehrfach auf die immer näher kommenden Blitzeinschläge hinwies. Außer „Training satt“ keine besonderen Vorkommnisse. Selbst „running gag“ Justus Scharowsky nur noch running und sonst von geradezu staatstragender Umsicht. Das gibt mir Gelegenheit, mich mehr meinem Lieblingsthema bei diesen Spielern zuzuwenden. Ihrer Fähigkeit, Beruf, Ausbildung und die Anforderungen des Spitzensports zu vereinbaren.

Das Loblied auf Dr. Michael Green ist ja schon gesungen. Eindrucksvoll wie es Mike (am letzten Wochenende zu Besuch bei Xavier Arnau in Barcelona. Sie sehen, hier bleibt nichts mehr intim) geschafft hat, 258 Länderspiele zu absolvieren und seinen Facharzt in derselben Zeit zu machen, die „normale Sterbliche“ dafür benötigen. Und zwischendurch noch mal eben ein halbes Jahr nach Argentinien zu gehen, um spanisch zu lernen. Dabei aber kein Kind von Traurigkeit oder verbiesterter Strebernatur, sondern auch in der Hamburger Partyszene ganz weit vorn dabei.

Dieses ist kein Musterbeispiel. Ob ich Michel, Eimer, Domke oder Crone sage, von jedem könnte ich Ihnen eine ähnliche Geschichte erzählen. Und die Jungen sind aus gleichem Holz geschnitzt. Im April und Mai dieses Jahres haben Witti und Wesa ihr Abitur gemacht. In ihrem letzten Schuljahr waren sie „so nebenbei“ im Oktober 2001 in Hobart (Australien), um an der Junioren-WM teilzunehmen. Wie jeder weiß, sind sie am 9.3.02 dann „bei den Großen“ Weltmeister geworden. Das war aber nicht mit einem Tag getan, sondern direkt vor dem Abi waren sie inkl. der Vorbereitungsspiele und der WM selbst sechs Wochen in der Weltgeschichte umher, während die Schulkameraden die Schulbank drückten. Haben aber auch hier gelernt. Der Laptop und die Internet-Verbindung machten es möglich, dass Wesa täglich mit dem Unterrichtsstoff versorgt wurden. Und ein rücksichtsvoller Rektor und kooperative Lehrer halfen mit, dass Klausuren und Abiprüfungen dann anstanden, wenn unsere Weltmeister wieder zu Hause waren. Mit denen hatten wir aber bereits ein Jahr vorher unsere Termine und Wünsche abgestimmt. Trotz allem großer Dank für dieses Entgegenkommen. Aber auch hohe Anerkennung, wie die beiden das hinbekommen haben und trotzdem noch Supernoten (Gesamtschnitt zweikomma-ich-habs-vergessen). Vergleichen Sie einmal diese Einstellung mit der mancher Jugendlicher in Ihrem Verein (und deren Eltern), die schon bei der läppischsten Klausur (oder wie oft geschehen, weil nun der Wechsel aufs Gymnasium ansteht), nicht mehr regelmäßig zum Training kommen können.

Die wahren Profis (so Bernhard Peters) sind unsere Hockeynationalspieler, auch wenn sie kaum ein materielles Entgelt für ihr Engagement finden. Während die vermeintlichen Profis aus der Fußball-Bundesliga oft nach ihrem Training kaum noch wissen, wie sie den Tag herumbekommen, zeigen unsere Nationalspieler, was man noch leisten kann, wenn man seine Zeit vernünftig einteilt und effizient arbeitet. Aber auch langfristig und geplant. Wenn ich Personalchef eines Unternehmens wäre, ich wüsste, auf wen meine Entscheidung bei einer Kandidatenauswahl fiele.

Mit dem Zeitaufwand für die Lehrgänge (an die 100 Tage im Jahr) ist es ja nicht getan. Dazu kommen die Hausaufgaben, die tägliche athletische Vorbereitung. Aber auch der Verein verlangt nach seinen Leistungsträgern. Noch einmal mindestens dreimal Training in der Woche, zudem die Wochenenden (an denen die Kommilitonen unbeeinträchtigt lernen können) mit Spielen, Reisen zu den Spielen und oft Doppelspieltagen besetzt.

Aber ehe Sie nun alle anfangen zu weinen oder in Ehrfurcht erstarren: Die Junx haben durchaus noch Zeit, am „normalen Leben“ teilzunehmen. Gehen auch zu den Hockeypartys, wissen die 3. Halbzeit zu schätzen und sind alles andere als Kinder von Traurigkeit.

Und manchmal hat es auch etwas besonders Gutes, eine Klausur nachschreiben zu müssen. So erging es unserem derzeitigen „Jäger Weß“, der aus seinem Grundwehrdienst erst am Donnerstag Abend zu uns stoßen wird. Als er, zurück aus Kuala Lumpur, eine Klausur nachschreiben musste, tat er das zusammen mit einer jungen Dame (bisher nur vom Sehen bekannt) einer anderen Schule, die aus Krankheitsgründen auch nachschreiben musste. Zu zweit saß man in der Bibliothek eines Moerser Gymnasiums und schrieb Latein und Geographie. Ob sie sich wirklich auf das Wesentliche konzentrieren konnten, weiß ich nicht. Oder eben das Wesentliche. Denn nach der Klausur verabredeten sich beide für den Abend in der Stadt. Und nun sind sie nicht nur bei den schriftlichen Prüfungen zusammen. Wie der gut informiete In-Teames-Leser weiß, treffen sich Wesa und Nele Cremer inzwischen regelmäßig. Die wahren Profis bekommen alles auf die Reihe.

Bleiben Sie uns verbunden -

HockeyHerzlichst
Dieter Schuermann

 

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Teammanager Dieter Schuermann über Ge- und Misslungenes, über Berufliches und Privates, über Sportliches und Außersportliches.


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