Wiesn Spezial II
Liebe Laite,
Es gibt Momente, in denen ist das Dasein eines Münchners doch etwas erschwerter als das anderer Laite. Denn zur Wiesnzeit pilgert doch eine nicht unbeträchtliche Schar aus Deutschland auf der Suche nach dem ultimativen Lebensmittelhusten auf die Theresienwiese. Gar nicht selten spielen sie im normalen Leben ein bisschen Hockey. Also klingelt das Telephon aus anrollenden Zügen, Autos und von Flughäfen. Und wie sich die Stimmen ähneln, die dann sprechen! Allesamt in freudiger Erregung, mit einer stolzen Geräuschkulisse im Hintergrund, die von ebenso euphorischen mitreisenden Gesinnungsgenossen erzeugt wird. Gesprächsausschnitte, die sich in jedem solchen Telephonat wiederfinden:
„Hey Hupe, ich fahr grad auf die Wiesn!“ – „Wie, du gehst da heut nicht hin?“ – „Du musst unbedingt kommen!“ „Jetzt bin ich einmal da und dann willst du nicht feiern?“
Genau, denn ich bin ja immer da, und wenn ich mit jedem Hockeyspieler, der pro Jahr kommt, einen Tag auf die Wiesn ginge, wäre ich jeden Tag im Jahr dort.
Aber oft genug hat man einfach keine Chance gegen die vorgebrachten Argumente („Jetzt komm schon!“) und fügt sich. Anfangs etwas verzweifelt, aber dann erhellt sich die Laune doch jedes Mal wieder auf erstaunliche Weise.
Aber was passiert denn dort eigentlich immer?
Grenouille könnte in einem Bierzelt keine vier Minuten überleben. Ein Genuss für die Sinne.
Neben wir einmal das kleine Habitat der Hockeyspieler, die sich immer „Im Schottenhammel rechts hinten“ treffen.
Der Ablauf ist üblicherweise der Folgende:
Betreten des Zeltes zur Mittagsstunde (Profi) oder am frühen Abend (gute Vorsätze, Arbeitszwang, Geldmangel)
Gewöhnung an Temperatur, Licht, Lärm, Geruch (Eigenzensur)
Beginn der Suche nach vertrauten Gesichtern oder wahlweise mit einer Gruppe nach dem Hauch eines Platzes
(Situation: Die meisten Leute stehen auf den Bänken, eine Mass kann nur erwerben, wer einen Sitzplatz vorweisen kann, Unübersichtlichkeit, ein Ameisenhaufen, es beginnt die Suche)
An einem Tisch klafft eine 30cm-Lücke, diese wird sofort bestanden und die stehende Person bestellt die entsprechende Anzahl an Mass für die, die noch nicht auf den offiziellen Plätzen stehen dürfen.
Stehende Person beginnt mit der Terrainausweitung durch: maßloses Rumgefuchtel, Rülpsen, vorgetäuschte Gleichgewichtsprobleme, urfalsches Mitgrölen, Heraufziehen der nächsten Person aus seiner Gruppe, oder: Anbiedern, Vorstellen, höfliches Nachfragen (eher selten)...
Die ersten Mass kommen
Die ersten Mass kommen, zuerst haben die im Gang befindlichen noch platzlosen Gefährten sie im Kreuz, aber dann stehen sie in ganzer Schönheit vor ihnen auf dem Tisch,
Es wird angestoßen, alle Vorbereitungen sind nun abgeschlossen, alles weitere liegt nicht mehr in der Hand der einzelnen Protagonisten
Es wird nun in regelmäßiger Folge neues Bier bestellt, pro Ansetzen muss mindestens ein Deziliter getrunken werden, ansonsten wird man wahlweise von den anderen bepöbelt, verliert das Bier seine Konsistenz noch schneller, wird das Bier warm und schal oder kann man nicht mit seiner eigenen Zugfrequenz prahlen.
Sonstige Tätigkeiten sind:
Die weiblichen Fixpunkte orten, je nach Reichweite erste Schritte einleiten. Anstoßen, Zusingen, irgendwie Auffallen, ansonsten: übliches Balzverhalten.
Beobachten der eigenen Metamorphose (nur in der ersten Stunde möglich) vom verschämten Blick auf unkontrollierte Gesangsversuche in der nächsten Umgebung zu den ersten eigenen Dissonanzexperimenten.
Möglichst spät sollte das Pissoir aufgesucht werden. Der mit Abstand übelste Ort der ganzen Veranstaltung kann sich in einer selektiven Wahrnehmung und 3 Mass im Gesicht zum schönsten Ort der Welt wandeln. Erleichtertes An-der-Schlange-zum-Damenklo-Vorbeilaufen endet mit einer mehr oder weniger langen Parkplatzsuche.
Variationen sind stürmische Begrüßungen verschiedener Neuankömmlinge, Brezenverzehr, Platzwechsel zu anderen Gruppen, Finanzcheck nebst kurzer Hochrechnung, Telephonierversuche („Hey, wir sind im Schottenhammel!“ - „Super, wir auch!“ - Glückwunsch),
Wenn die Tore geschlossen werden, hat man alles richtig gemacht.
Vorläufiges Ende:
Die Musik hört auf zu spielen, man beratschlagt kurz den weiteren Plan. Wird das Käferzelt angepeilt? Geht es direkt weiter in Milchbar, Funky Kitchen, ...
Auf jeden Fall erst mal raus aus dem Zelt. Üblicherweise verliert man im Laufe des Abends einen Teil seiner Crew und bespricht sich nun am Hinterausgang. Manch einer hat eine Neuerwerbung im Arm und deshalb eine klare Vorstellung vom Rest des Abends. Ein anderer beobachtet fasziniert wie auf dem Fleischmarkt Schottenhammelrückseite noch letzte Versuche gestartet werden („Hey ihr, kommt ihr noch mit zum Käfer?“).
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