Birgit Beyer – eine starke Frau im deutschen Tor

Von Reiseleidenschaft, viel Konsequenz und Hovawart Cerrie

Birgit Beyer: Hallo AustraliebHockey-Torhüter sind besondere Menschen. Wer sich freiwillig immer wieder mit dem gesamten Körper der harten Kunststoffkugel entgegenwirft, der darf keine Angst haben und braucht erstklassige Reflexe. Birgit Beyer bringt diese Eigenschaften mit. Die mit 34 Jahren älteste Akteurin im WM-Kader von Peter Lemmen ist ein Naturtalent. Erst mit 14 Jahren kam sie durch den Schulsport zum Hockey, hatte zuvor alles mal ausprobiert - vom Volleyball über Judo bis zum Fechten.
Die in Ulm geborene und in Heidenheim aufgewachsene Nationalspielerin wurde beim SB Heidenheim sofort Torhüterin. "Beim Handball durfte ich nie ins Tor, beim Hockey habe ich gar nicht erst probiert, draußen zu spielen", erzählt Birgit und fügt ironisch hinzu. "Der Job hat mich gereizt, weil ich doch so gern laufe." 1989 wechselte sie zu den Stuttgarter Kickers, spielte Mitte der 90er Jahre mal in Dürkheim, dann eine Saison beim Club Raffelberg in Duisburg, ging zurück zu den Kickers und dann 1997 für neun Monate nach Australien.
Für die University of Western Australia und die regionale Auswahl "West Diamonds" spielte und trainierte sie in dem Stadion, in dem sie nun, fast sieben Jahre später mit der deutschen Mannschaft ihre erste Weltmeisterschaft bestreitet. "In Australien habe ich gelernt, zu delegieren, meine Mitspieler von hinten zu stellen", erinnert sie sich. "Das war wichtig, weil der extrem offensive Stil, der dort gepflegt wird, die Mitspieler sonst immer veranlasst, einen hinten allein stehen zu lassen."
Wieder zurück in Deutschland ging die Auswahlkeeperin, die erst 1993 als Quereinsteigerin Premiere im Nationaltrikot feierte, zu Rot-Weiß Köln. Dort ist sie eine feste Größe geworden, gewann mit dem Team unter anderem die deutsche Feldmeisterschaft, den Pokal und sogar den Europapokal der Landesmeister 2000. Das verjüngte Team, mit dem sie nun in Perth spielt, findet sie "spannend". "Es gibt nicht diese Starspieler, wie früher. Die Stärke liegt im Team, das sehr harmonisch ist. Theoretisch ist alles drin bei diesem Turnier!"
Die Hallen-Weltmeisterschaft in Leipzig würde Birgit Beyer zu gern noch als Zugabe spielen. Über Athen hat sie noch nicht nachgedacht. "Ich plane jetzt nur noch von Event zu Event. Das berufliche Weiterkommen wird für mich ab 2003 an erster Stelle stehen." Beruflich ist die Weltklasse-Torhüterin ebenso ihren ganz eigenen Weg gegangen, wie im Sport. Das Studium zur Diplom-Betriebswirtin absolvierte sie in Stuttgart und Villingen-Schwenningen und war 1992 bereits fertig. Seitdem hat sie viel im Bereich Steuerberatung gearbeitet.
Deshalb möchte sie sich nach der Weltmeisterschaft gern zum Steuerberater weiter qualifizieren. Zwei Jahre dauert diese Ausbildung, die neben der Arbeit absolviert wird. Die Prüfung vor der Steuerberater-Kammer gilt als schwer, die Durchfallquote ist hoch. Birgit sucht dafür einen neuen Arbeitgeber im Großraum Köln. In diesem Jahr hat sie ihren Horizont noch ein Stück mehr erweitert. Bei einer Eventagentur, die Trainingsevents und Mitarbeiterschulungen organisiert, hat sie ein Praktikum absolviert.
Davor waren für sie seit den Olympischen Spielen in Sydney nur kurze Zeitaufträge annehmbar, weil sie fast zwei Jahre dafür brauchte, das Steuerberatungs-Büro ihres im Jahr 2000 verstorbenen Vaters Ringold Beyer aufzulösen, in dem sie selbst auch lange gearbeitet hat. "Ihm verdanke ich viel, denn er hat mir die Möglichkeit eröffnet, Leistungssport und Arbeit unter einen Hut zu bringen. DHB-Präsident Christoph Wüterich und Vize-Präsident Jo Hürter haben mir bei den Abwicklungen nach seinem Tod sehr geholfen", sagt Birgit rückblickend.
Die so ruhig und sehr introvertiert wirkende Torhüterin, von der unter der aufwändigen Ausrüstung auf dem Hockeyplatz ja eigentlich nie etwas zu sehen ist, ist eine Frau, die das, was sie sich vorgenommen hat, auch immer durchgezogen hat. Mit 16 verkaufte sie ihre Geige, um sich die erste Fernreise nach Kanada zu finanzieren. „So endete meine Musikkarriere’ und begann meine Reise-Leidenschaft“, sagt sie. Viel hat sie seitdem gesehen und unternommen. Von der Hundeschlittentour in Lappland über den Rettungstaucherschein in Australien bis zur Fahrt im offenen Fischerboot in Malaysia - inklusive gefährlicher Seenot im Sturm vor der Insel Saba.
Zu Hause in Deutschland wartet ein altes Bauernhaus mit Scheune in der Eifel auf Birgit. Das hat sie sich angeschafft, um es in Eigenregie zu renovieren. Es fehlen zurzeit nur noch die Fertigstellung der Küche und zweier weiterer Räume, um dort einzuziehen. "Die Scheune ist dann eher ein Fünf-Jahres-Projekt". Freuen wird sich über das idyllische neue Heim wohl auch Hovawart-Hündin Cerrie, die seit einigen Monaten Birgits treue Begleiterin ist.
Für den Namen stand übrigens die ehemalige australische Nationalspielerin Kerrie Crawford Pate, die die Deutsche schon seit ihrer Zeit in Australien kennt und die beim Aussuchen des Hundes dabei war. Beyer: "Weil es ein C-Wurf war, haben wir die Schreibweise des Namens eben geändert. Vom Züchter aus sollte der Hund Cashmir heißen, was nun wirklich nicht ging." Sie hat das Glück, dass es genug Menschen in ihrem Umfeld gibt, die auf die Hündin aufpassen, wenn Frauchen - so wie jetzt - mit der Nationalmannschaft unterwegs ist.
Und diesmal dauert es sogar noch etwas länger, denn Birgit hängt noch vier Wochen Urlaub an die WM dran, feiert daher auch den 35. Geburtstag am 13. Dezember fern der Heimat. "Ich denke es wird meine letzte Reise nach Australien, denn ich habe von dem Land schon enorm viel gesehen." Ein neues Reiseziel hat sie auch schon im Blick: Südamerika. Dafür hat sie auf dem letzten Nationalmannschaftslehrgang nach Chile und Argentinien Feuer gefangen. Private Sprachstunden in Spanisch sind schon abgemacht. Und bei der Konsequenz, wird auch dieser eingeschlagene Weg von Birgit Beyer mit Sicherheit bis zum Ende gegangen.

 

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