Peter Lemmen: Ein Leben für die Extreme Von einem einsamen Bauernhof, roten Autos und Drachen im Sturm Wenn Peter Lemmen erklärt, wo er wohnt, muss er stark ins Detail gehen. In der Eifel, etwa 40 Kilometer von Bitburg entfernt, liegt Prüm, ein 4.000-Seelen-Städtchen. Elf Kilometer davon entfernt liegt ein Dörfchen mit 60 Einwohnern und einer Kirche, die nur bei Beerdigungen und zu Weihnachten in Betrieb ist. Das ist aber immer noch nicht der Wohnsitz des Bundestrainers. Das Gehöft, in dem Lemmen seit vier Jahren mit seiner Familie lebt, ist noch einmal 800 Meter außerhalb gelegen und hat bis auf einen Bauernhof mit drei Bewohnern auf der anderen Straßenseite keine weiteren Nachbarn. „Navigationssysteme finden uns nicht, weil wir an einer ’nicht-digitalisierten Straße’, sprich an einem Feldweg wohnen“, erklärt der 43-jährige Familienvater. Die Einsamkeit des Hofes mit dem idyllischen Namen „Auf der Brück“ ist das Reservoir für den gebürtigen Duisburger, um Kraft und Energie zu tanken. Es sind die Extreme, die Lemmen mag und die sein Leben bestimmen. Einerseits die Stabilität der Familie und Nachbarschaft in der Ruhe der Eifel und dann wieder der Lehrgangsstress und die Reisen mit der Nationalmannschaft durch die ganze Welt. „Das ist wie Feuer und Wasser, aber durch die Vielfältigkeit meiner Lebensbereiche und -kontakte habe ich einen außergewöhnlich breites Betrachtungsspektrum. Es fällt mir so meist leichter Dinge zu relativieren, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden, auch in der Arbeit mit der Mannschaft oder den Trainerkollegen. Ich bin dankbar und froh, diese für mich ideale Lebensform gefunden zu haben - alles funktioniert aber nur, weil meine Frau das unterstützt.“ Nur einen dieser Bereiche zu leben ist für den 43-jährigen nicht denkbar, „jeder Bereich ermöglicht erst den anderen und wertet ihn auf und lässt ihn mich immer wieder genießen“. Später – wann immer das auch sein mag "werde ich mich da sicher mal reduzieren, das kommt dann ganz von selbst“. Peter Lemmen gestaltet sein Leben so abwechslungsreich wie es nötig ist. „Wenn ich etwas hasse, dann ist das Routine – Dinge, die sich ständig wiederholen., obwohl das manchmal sein muss“. In seiner Garage stehen zwei Fahrzeuge, die lediglich von der roten Farbe her ähnlich sind. Mit dem zwölf Jahre alten Porsche 911 zieht es ihn ab und zu („dieses Jahr leider noch keine Zeit“) auf den Nürburgring. Der fast drei Mal so alte Traktor der Marke McCormick wird für die Arbeiten des „Stallknechts“ (Eigenbeschreibung Lemmen) auf seinem Bauernhof genutzt. Im letzten Jahr seiner aktiven Hockeylaufbahn fand er zufällig den Zugang zum Bobsport. Hier „bretterte ich fast ohne Training plötzlich als Bremser mit über 100 Sachen durch den Eiskanal von Winterberg“, gemeinsam im Training mit Edwin Moses (damals im Viererbob USA1) und Christoph Langen. „Das war eine tolle Zeit: mittags Training im Eiskanal, abends Hockey in der Halle. Ich war zwar nicht erfolgreich (7. Platz bei den Mittelgebirgsmeisterschaften 1992), aber es war ein Riesenspaß und ne´ tolle Erfahrung “. Die Kontraste sind es also, die den Diplom-Hockeytrainer und Diplom-Sportlehrer zu einer ungewöhnlichen Erscheinung im Trainergeschäft machen. Da kann es schon mal passieren, dass Lemmen mitten im Telefoninterview mit einer von Deutschlands bekanntesten Tageszeitungen um eine Unterbrechung bittet, weil der Nachbar-Bauer ihn um dringende Hilfe beim Ohrmarken seiner Kälber bittet. „Hier wirst Du als Nachbar toleriert, wenn du einen Hof kaufst, respektiert wirst Du aber erst, wenn Du in schwierigen Situationen hilfst, den eigenen Kram hinten anstellst und eben für den Nachbar schaffst. Das haben wir erreicht und es ist sehr beruhigend für uns, denn wenn ich lange mit der Mannschaft unterwegs bin, brauchen wir den Nachbarn“ . So ist er dort mittlerweile voll akzeptiert, hat inzwischen sogar einen unfreiwilligen Landadels-Titel. „Die Leute reden hier in Anlehnung an den Namen unseres Zuhauses vom ‚Peter von der Brück’. So taufen wir mittlerweile auch unsere Pferde zum Beispiel mit ‚Resi von der Brück’“, sagt Lemmen und lacht. Das Landleben hat ihm Ehefrau Barbara nahegebracht. Die ehemalige Bundesligaspielerin von Rot-Weiß Köln – wie ihr Mann selbst in der Großstadt aufgewachsen – hat schon früher mal einen Bauernhof bewohnt. Inzwischen ist die Familie stark angewachsen. Die Kinder Tim, 9, Jane, 7, Rieke, 5, und Lina, 3, bestimmen das Leben auf dem Hof stark mit. So gibt es neben zwei Hofhunden, die für die nötige Sicherheit in solch einer Wohnlage sorgen, inzwischen acht eigene Pferde, zum Teil aus eigener Zucht, und einige Pensionspferde im Stall, diverse Katzen und – O-Ton Lemmen: „eine zum Glück inzwischen kontrollierte Anzahl“ – Kaninchen und Meerschweinchen. Dazu kommen ein wechselnder Bestand an Wildtieren, die bei Großfamilie Lemmen Unterschlupf finden. Derzeit bereiten sich zum Beispiel drei Igelkinder im Badezimmer auf den Winterschlaf vor. „Bei den viel zu seltenen Ausritten kreuz und quer durch die Wälder, versuche ich die mir unbekannte Flora und Fauna kennen zulernen und mein Wissen zu erweitern. Da werde ich wohl auch einen Teil meines späteren Rentnerdaseins einsetzen - neben dem Meckern über das moderne Hockey - Wildtiere beobachten und bei Bedarf pflegen und betreuen.“ Den Spaß am Landleben nimmt man dem 43-Jährigen, der im Januar 2001 das Amt von Berti Rauth übernahm, sofort ab. Die berufliche Vergangenheit des Damen-Bundestrainers ist übrigens fast so abwechslungsreich wie sein heutiges Leben. Unmittelbar nach dem Studium in Köln arbeitete er als Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Siegen, anschließend war er tätig als Bundesligatrainer beim Club Raffelberg und gleichzeitig über drei Jahre angestellt in einer Katalogproduktion. Dort erwarb er sich das handwerkliche Ein-Mal-Eins für die Herstellung des Magazins „HockeyTraining“, das einmal im Monat seit seinem Engagement 1998 beim Kölner Bundesligisten Schwarz-Weiss gemeinsam mit der Deutschen Hockey-Zeitung erscheint und von Peter Lemmen produziert wird. Dass Peter Lemmen als Hockey-Trainer durchaus auch mal andere Wege zu gehen bereit ist, zeigte sich gleich im ersten Jahr seiner Tätigkeit. Er führte seine Damen in einem Survival-Camp bis an ihre Grenzen, schaffte dadurch auch die Grundlage für ein neues Team-Gefühl, das heute von allen Spielerinnen als extrem positiv bewertet wird. Ähnliche Erfahrungen gönnt er auch seinen Kindern. Bei Sturm nahm er sie vor kurzem mit auf eine offene Wiese und ließ sie am drei mal drei Meter großen Plastikdrachen Schlittensurfen – extrem eben... |
Abschied vom Alltag Hallo Australien |
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