Short Corner 33 - 11. August 2003

   

Spielintelligenz

In meinem Vorbericht gestern hatte ich bereits davon berichtet, wie sich die Mannschaft mit dem Vortagsspiel gegen den Vize-Weltmeister auseinandergesetzt hatte. Wenn man die erste Halbzeit des Spiels von Neuss gesehen hat, wenn man den Angriffsschwung der Australier erlebt hat, der die deutschen Spieler schier zu überrollen schien, wenn man miterlebt hat, wie häufig die deutschen Spieler den Australiern nur hinterher laufen konnten und dabei oft nur zweiter Sieger waren, dann konnte einem angst und bange werden um die Zukunft des Weltmeisters. Aber das ist ja auch das Faszinierende am Mannschaftssport, dass es nicht nur gegen jedes Angriffsmittel ein Gegenrezept gibt, sondern auch mit dem eigenen Spielerfolg eine eigene Überlegenheit und Selbstsicherheit zurück gewonnen werden kann. So auch gestern. Selten hat die deutsche Mannschaft in der letzten Zeit gegen einen wirklich großen Gegner so überzeugend aufgespielt. In solchen Spielen schafft es ein Team, wobei die Betonung auf Mannschaft liegt, auch, Rückstände wegzustecken und umzukehren. Schon die erste Halbzeit war gestern in Krefeld das absolute Gegenteil von der in Neuss. Deutschland beherrschte das Spiel, sicherte den Ball vor eigenen Verlusten und hatte sich taktisch hervorragend auf die Spielweise der Australier eingestellt.

Interessant dabei, wie die Spieler selbst in den beiden Spielbesprechungen nach dem ersten Spiel, angeregt durch Bernhard Peters, selbstkritisch das eigene Spiel analysierten und zu Schlüssen für das gestrige Spiel kam, die sich als wirkungsvoll erweisen sollten. Dabei war es nicht nur der immer vorausdenkende und dieses auch in solchen Sitzungen artikulierende Christoph Eimer, sondern alle Spieler brachten sich ein. Wertvoll die Hinweise von einem der Jüngsten, wenn auch nicht mit seinen 128 Länderspiel unerfahrenen Matthias Witthaus. Er analysierte richtig, dass wir die Australier auch deshalb stark gemacht haben, weil wir sehr offensiv ausgerichtet waren und dabei im Spiel nach vorn leichte Fehler machten, die ihnen sofort das Kontern ermöglichten. Und da in solchen Situationen die Verteidiger nicht eng bei ihren Gegenspielern sind, ergab sich das fatale Bild, die deutschen Spieler nur verzweifelt den Aussies hinterher hecheln zu sehen. Matthias Rat, vom Trainer und der Mannschaft angenommen, auch mal einen hässlichen Ball weit in die gegnerische Hälfte ins Aus spielen und die Australier das Spiel machen lassen. Was sicherlich nicht so sehr ihre Sache ist. Und noch ein Rat von Witti. Bei den schlechten Platzverhältnissen auf dem Krefelder Kunstrasen, die Ballverluste einfach wahrscheinlich machen, nicht so wie gewohnt durch die hier besonders aussiegefährdete Mitte zu spielen, sondern das Spiel über die Außenbahnen nach vorn zu tragen. Bis auf 10 Minuten vor der Halbzeit, als durch eigene Fehler (wir wollen hier Wesas Namen gar nicht nennen) die Australier genau wieder in ihr Spiel gebracht wurden und sie die Führung übernahmen, ging dieses Rezept voll auf. Ein weiteres – und Wichtiges – kam hinzu. Oftmals waren die Fehler im deutschen Spiel auch deshalb entstanden, weil der ballführende deutsche Spieler vom Gegner, der sich dann oft mit drei, vier Spielern auf diesen stürzt, so unter Druck gesetzt wurde, dass Fehler unausweichlich wurden. Weil keine Abspielmöglichkeit vorhanden war. Und die entsteht durch sich anbietende Mitspieler. Freilaufen und das Spiel ohne Ball ist gerade bei solchen Temperaturen und den Belastungen der Lehrgänge einfacher gesagt als getan. Aber hier entscheidet der Teamgeist. An den appellierte Peters – und der ist bei diesem Team in großem Maße vorhanden und zeigte sich einmal mehr im gestrigen Spiel. Jeder lief für jeden und die Mannschaft wirkte auch viel frischer.

Nicht von ungefähr, wie mir vor dem Spiel schon unser Leistungsdiagnostiker Stefan Mücke ankündigte. Er erwartete vor dem Spiel gegenüber dem Vortag eine deutliche Leistungssteigerung. Für ihn war eine gewisse Gelähmtheit durch die Trainingswochen zuvor erwartungsgemäß, wie er ebenso für gestern nach der körperlichen Anpassung am ersten Spieltag gegen die Australier eine deutliche Leistungssteigerung vorhersagte - und Recht behielt.
Toll, wie die Mannschaft gestern zusammenarbeitete, die gemeinsam entwickelte Planung umsetzte, wie sich all das wieder fand, was die Mannschaft und ihr Trainer in den Besprechungen zuvor verabredet hatten. Die Zuschauer in Krefeld waren begeistert. Über das hochklassige schnelle Spiel und die vielen Tore. Das war Hockey-Weltklasse gestern in Krefeld. Schade, dass so wenige Hockeyfreunde dieses Spiel zu sehen bekamen (etwa 600). Es werden doch nicht alle 30000 Hockeyspieler im Westen in den Ferien sein. Wie kann man immer wieder jammern, dass das Fernsehen Hockeyspiele nicht überträgt, wenn wir selbst nie hingehen. Warum schnappen Trainer nicht ihre Mannschaften, ob Jugend oder Bundesliga, und geben ihnen hier Anschauungsunterricht, wie er besser nicht sein kann? Warum geht man immer nur zu solchen Länderspielen, wenn sie im eigenen Club ausgetragen werden? Das sind hier im Westen doch alles keine Entfernungen. Über die Autobahn erreicht man von Köln oder Düsseldorf Krefeld oder Neuss doch in höchstens einer halben Stunde. Hockeyfreunde im Westen, Ihr habt gestern etwas verpasst.

Im Anschluß an die Länderspiele wurde jeweils ein 7m-Schießen ausgetragen. Peters will auch hier spielnah solche Situationen üben. Bei uns hat sich inzwischen ein sehr sicheres Quintett herausausgebildet (Reinelt, Bechmann, C. Zeller, Landshut, Weißenborn). Alle trafen im Spiel in Neuss (5:4 Endstand), gestern verschoss nur Zelz, aber auch ein Australier. Im dritten Durchgang hielt Clemens Arnold den von Commens geschossenen 7m. Interessant die Technik unserer hier sehr abgeklärt wirkenden Experten. Alle warten sehr lange, bis sie sich für eine Ecke entscheiden. Während Sascha, Bechi und Zelz variieren, scheint Max Landshut den Ball immer just über den Kopf des Torhüters zu hämmern. Und Tibor schießt als Letzter ganz ausgebufft immer einfach hässlich flach dorthin, wo kein Torwart mehr zu sehen ist. Neue Chance, das deutsche Spiel zu beobachten. Am Dienstag Abend um 19.00 Uhr hier in Krefeld gegen Belgien.

Leider gehören zu unseren täglichen Lageberichten auch die aus der medizinischen Abteilung. Käptn Kunz arbeitet täglich mit unserem hiesigen Vertretungsphysio des letzten Lehrgangs, Viktor (mit weichem „V“) Siemes und ist guter Hoffnung (was das Mitwirken des frisch gebackenen Ehemanns in Barcelona angeht). Hier ist der andere Mario-Vertreter Andreas Papenfuß zusammen mit unserem Ibu dabei, Christian Wein rechtzeitig für den EM-Einsatz wieder von der Muskelverletzung im Adduktoren-Bereich zu heilen (Genaueres wird die Kernspintomografie heute bringen). Leider ist auch Björn Emmerling gestern erneut mit dem lädierten Fuß umgeknickt. Aber nur leicht. Es wird schon gut gehen, aber Schonung ist noch angesagt.


Bleiben Sie uns verbunden –

HockeyHerzlichst

  Foto: Dieter Reinhardt (info@direvi.de)

Björn Michel und Christoph Bechmann 1999 beim Gewinn des Europameister-Titels


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Foto: Dieter Reinhardt (info@direvi.de)

Clemens Arnold, Björn Emmerling und Philip Crone mit der Hallen-EM-Trophäe


Foto: Herbert Bohlscheid (www.sportfoto.tv)

Jamilon Mülders war nach dem Gewinn des WM-Titels Ziel mancher Autogramm-jäger


Foto: Dieter Reinhardt (info@direvi.de)

Mannschaftsarzt Dr. Andreas Neuking mit Oliver Domke bei der WM 2002 in Kuala Lumpur


Foto: Dieter Reinhardt (info@direvi.de)

Dr. Michael Green mit seiner Mutter bei der WM 2002 in Kuala Lumpur


Foto: Dieter Reinhardt (info@direvi.de)

WM 2002 in Kuala Lumpur - Philip Crone mit Fans und heißgeliebter Schokolade



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