Kleiner Mann ganz groß
Schon bei der letzten ChampionsTrophy war der einhellige Tenor aller Beobachter: Einer konnte richtig gut mithalten und hat ein richtig gutes Turnier gespielt. Till Kriwet. Leider wurde er im letzten Spiel heftig verletzt, der Handbruch war kompliziert und ist bis heute nicht ausgeheilt. Trotzdem schließt er hier in Lahore nahtlos an seine große Vorstellung in Amsterdam an. „Die Bank“ auf hinten links. Ein Grund, Ihnen den 22 Jahre jungen Mann ein wenig näher zu bringen. Was sagt der 1,68 cm große Käptn Crone über seinen neuen Nebenspieler in der Abwehrreihe. „Ganz gut. Nur zu klein.“ Dabei misst Till stolze 170 cm (gefühlt allerdings eher 160, vor allem, weil er sich ganz tief macht und auf diese Weise die Weltelite vorn rechts abkocht. So im ersten Spiel den Pakistani Rehan Butt). Immer ganz konzentriert. Immer bei der Sache. Ohne sich durch Äußerlichkeiten, Schiedsrichter, Hektik ablenken zu lassen. Aber nicht nur im Abwehrverhalten zeigt der Kleine Größe. Hervorragend auch seine Ballsicherung und die klugen Seitenwechsel, oft von überraschender Öffnung.
Das Hockeyspielen begann er mit sechs Jahren beim HC Essen 99. Hier infizierte ihn der legendäre Helmut Altenschmidt mit dem Hockeyvirus. Davon ist er bis heute mit Leidenschaft befallen. Auch als er noch nicht das A-Trikot trug, kam er oft zu Länderspielen, um zuzuschauen. Im Knaben B-Alter wechselte er zu ETUF Essen, wo er von Arnd Herzbruch trainiert wurde, der mit dieser Mannschaft, als Till A-Knabe war, auch dessen erste und einzige Deutsche Meisterschaft errang. Mit der Möglichkeit, als A-Jugendlicher Bundesliga zu spielen, wechselte er zum CHTC Krefeld. Wie man sieht, eine durch und durch zielstrebige Karriere. „Bist du ehrgeizig?“, meine Frage. „Ja!“, die unumwundene und natürliche Antwort. Ganz seiner Art entsprechend. Immer freundlich, immer guter Laune, hilfsbereit, aufgeschlossen. Die Liebenswürdigkeit in Person. Bei allen Mitspielern beliebt.Der perfekte Schwiegersohn. Dafür ist er noch viel zu jung, aber, Schwiegermütter aufgepasst, noch zu haben.
Seit er bei den Deutschen Meisterschaften zur Nachsichtung des DHB „U 16“ geladen wurde (ohne vorher WHV-Auswahlspieler zu sein), spielte er ununterbrochen in der U 16 national. Seit der U 18 hört er nur noch auf „der Braune“. Diesen Namen haben ihn damals die Mitspieler Oliver Hentschel (noch heute sein Zimmergenosse)und Conrad Bremer verpasst, die sich des Kleinsten und Jüngsten damals väterlich annahmen und ihn so tauften. Auch Taufpate „Ulln“ Hentschel weiß heute nicht mehr, warum. Aber der Name haftet. (Übrigens: Linguisten aufgepasst. Der Name „Ulln“ entsprang der Babysprache des Bruders Tobias, dieser wiederum besser unter Metzger bekannt. Vielleicht ist Aufklärung möglich, was hinter den Hentschelschen vier Buchstaben steckt).
„Der Braune“ hat alle DHB-Nationalmannschaften durchlaufen und liegt mit 77 Jugendländerspielen in der DHB-Rangliste ziemlich weit vorn. Inzwischen ist er auch bereits bei 17 A-Länderspielen angekommen. Und es werden sicherlich noch einige mehr, zum Beispiel morgen gegen die Niederlande, wo der goalgetter der Niederländer, Karol Klaver, gestern mit hattrick gegen Spanien, auf ihn wartet. Nach diesem Turnier noch ein Hallenspiel für den CHTC in Gladbach und dann geht es für zwei Monate nach Neuseeland. Mit nichts weiter als einem Rucksack und dem Ticket für die Rückreise will Till sich allein auf den Weg machen und diese Insel des 5. Kontinents für sich erobern. Denn er hat im Moment Zeit. Er befindet sich im 6. Wartesemester fürs Medizinstudium und will von der Heilkunde nicht lassen. Und spätestens im kommenden Wintersemester hat die Warterei ein Ende. Arzt aus Berufung. Kein Wunder bei der Herkunft, mit Eltern, von denen beide Ärzte sind. So assistiert er schon jetzt als Hakenhalter bei Operationen und hat auch schon diverse Praktika absolviert. Hoffen wir, dass seine Finger, von denen zweien durch die Verletzung von Amsterdam noch das Feingefühl abgeht, wieder voll genesen, damit der Kleine auch in diesem Metier ein ganz Großer werden kann.
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