Incredible India
Gefährlich ist’s, den Leu zu wecken. Das wissen wir spätestens seit diesem Sommer. Zweimal hatten wir die Aussies in Bremen und Hamburg mit 1:0 besiegt. Da nahmen sie beim Hamburg Masters alle Konzentration und Leidenschaft zusammen und feierten einen 6:0 Kantersieg. Hätten wir das Trainingsspiel am Mittwoch besser nicht gewonnen… Dabei fing alles ganz gut an. Trotz des Fehlens von Björn Emmerling und der krankheitsbedingten Schwächung von Justus (er gab uns erst 10 Minuten vor Spielbeginn das Zeichen, dass er sich das Spiel zutrauen würde. Und er hat wirklich alles, und das gut, gegeben) kam das deutsche Team gut ins Spiel. Schon nach 10 Minuten jubelten „head of delegation“ Hans Baumgartner und ich auf der Tribüne verzückt auf, wir hatten den argentinischen Rückhandschuss von Sebastian Draguhn nach wunderbarem Freispielen von Matthias Witthaus im Tor gesehen. Leider nur das Außenbrett. Aber Schüsse dieser Art sollten kurz darauf eine besondere Bewandtnis bekommen. In der 14. Minute kam Jamie Dwyer halbrechts vom Schusskreisrand zum Schuss und drosch den Ball in die Maschen. Keine Reaktion von Torhüter Uli Bubolz. War auch nicht zu erwarten, denn der Ball ging buchstäblich durch die Maschen des Außennetzes ins Tor. Der für den wegen einer Krankheit absagenden Richard Wolter neu ins Turnier genommene indische Schiedsrichter Prasad Raghu entschied auf Tor und ließ sich von niemandem umstimmen. Auch das von ihm vor Spielbeginn als undurchlässig kontrollierte Netz, das jetzt erkennbar ein Loch aufwies, konnte ihn nicht beeindrucken. Er ließ sich weder dazu bewegen, seinen Kollegen zu befragen noch per Funkleitung um Hilfe zu bitten. Er fragte allerdings den „Welthockeyspieler“ Dwyer, der gegenüber den deutschen Spielern behauptete, der Ball sein im Tor gewesen. Wohl auch als zweifacher Torschütze wurde er zum „man of the match gewählt“. Fair geht vor. Eindeutig kein Tor.
Turnierdirektor Ken Reed war außer sich. Er hatte noch am Donnerstag die indischen Offiziellen auf das marode Netz aufmerksam gemacht. Vergeblich. In der Halbzeit wurde dann geflickt. Den FIH-Offiziellen war alles sehr peinlich. Zustände wie bei einem Kreisklassenturnier.
Nach Spielende veranlasste FIH-Präsidentin Els van Breda-Vriesmann den Generalsekretär des indischen Verbandes, K. Jothikumaran, sich vor den Zuschauern im Stadion zu entschuldigen. Sie selbst drückte ebenfalls ihr Bedauern aus. Nur der Höhepunkt einer Kette von organisatorischen Unzulänglichkeiten, die ich gestern schon angedeutet hatte. Es gibt weder Programmheft, noch Anzeigetafel für Torschützen, o.ä.. Keine funktionierende Uhr. Die Torschützen werden nicht angesagt. Spielformular und die übrigen Regularien wurden unmittelbar vor Spielschluss fertig. Dabei war seit heute eine große Medienwand installiert worden, die in der ersten Halbzeit aber nur Rosen und Narzissen zeigte. In der zweiten Halbzeit für einige Minuten dann Übernahme der Live-Szenen des Fernsehens. Ten-Sport überträgt alle Spiele live.
Zurück zum Spiel. Wir waren auf der schiefen Bahn und die Australier nutzten viele individuelle Fehler (vor allem fehlender internationaler Wettkampferfahrung bedingungslos aus) und führten zur Halbzeit zu Recht mit 2:0. Auch nach der Halbzeit zunächst weiter naives Spiel der jungen deutschen Mannschaft. Justus Scharowsky war heute der älteste deutsche Mann auf dem Platz und kämpfte wider Krankheit und 0:4 mit Vehemenz. In den letzten 20 Minuten nur noch Deutschland im Spiel. Leider nur noch Ergebniskosmetik zum 1:4 durch Christopher Zeller. Trotzdem vielfach Beifall auf offener Szene des objektiven indischen Publikums, das viele Hockeykabinettstückchen à la Witti begeistert beklatschte. Ohnehin schienen die Sympathien der ca. 3000 Zuschauer auf unserer Seite zu sein. Incredible India.
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