Die Südkurve bebt
Public viewing nennt man das jetzt, wenn man gemeinsam wohin guckt. Oder fernsieht. Wie angekündigt stand gestern Nachmittag für zwei Stunden Fußball im Mittelpunkt des Geschehens (wird Oliver Bierhoff recht behalten, der kürzlich bei der kleinen Begegnung am Rande des Spiels gegen Kolumbien sich für die Ehrenkarte zu unserer WM bedankte und damals noch belächelt ermunterte: „Wir legen bei unserer WM schon mal vor und ihr könnt dann im September mit eurem WM-Titel nachziehen!“
Gestern kamen die Klinsmänner dieser Prognose einen gewaltigen Schritt näher und unsere Junx standen voll hinter ihnen. Natürlich alle im Fußball-Dress vor der Leinwand, mustergültig in aggressiv-rot Zello im Original-Podolksi-Trikot. Und so war dann auch das Niveau unseres Miterlebens. Natürlich standen alle die Arme verschränkt auf, um die Nationalhymne mitzuschmettern. Obwohl sie vermeintlich auch eigene Übung darin haben müssten, gab es doch Sarah-Connor-artige Ausfallerscheinungen. Aber es wurde keiner verbrüht. Und dann ging es los. Jeder Spielzug lautstark gefordert und kommentiert. Jedes Foul der Argentinier fanatisch mit der Forderung nach Kartensanktionen begleitet, jedes deutsche Foul als nationale Heldentat bejubelt. Fair ging kein bisschen mehr vor. Die Junx hätten gestern jede Südkurve mit der Einseitigkeit ihrer Betrachtungsweise in den Schatten gestellt. Während Physio Super-Mario vor dem Spiel, als wir während der Fernseheinstimmung noch beim Training waren, in heftigen Anflügen von Heimweh noch das Fehlen des„public viewing“, das auch vor weserbergländischen Eisbahnen nicht halt macht, mit seinen Fußballkampfgenossen aus Beverungen beklagte, kam er beim Spiel selbst schnell in Fahrt. In bester Schönwetter-Fan-Manier wurde soeben Ballack wegen eines Fehlpasses noch als geldgieriger Vaterlandsverräter geziehen, um Sekunden später nach dem Ausgleichstor von Klose in allseitigen Jubel über diese einmaligen deutschen Kämpfernaturen auszubrechen. Als die Uhr der Verlängerung 115:41 zeigte, forderte er lautstark den Abpfiff. „Schon fast eine Minute drüber, Schiri, du Schieber“ – bis ihm einige besonnenere Mitglieder der Südkurve darauf hinwiesen, dass noch 5 Minuten zu spielen seien.
Hockey wurde auch noch gespielt
Die Junx haben alles gegeben. Als es nicht so recht klappen wollte mit dem deutschen Führungstreffer, wurde Menkes vor die Tür geschickt. Aberglaube. Denn das Ausgleichstor hatte er zuvor am Fahrstuhl verpasst. Als dann Jens Lehmann den zweiten Elfmeter hielt, lag eine riesige Spielertraube über dem armen Witti, um den Einzug ins Halbfinale zu bejubeln.
Dann ging es ganz schnell. Während die Klinsmänner noch den Sieg im Berliner Olympiastadion auskosteten, starteten wir den ersten Autokorso Richtung Warsteiner Hockeypark. Wegen der Verlängerung hatten wir unser Testspiel gegen die Engländer um eine halbe Stunde verschoben. Uns kamen gerade die Besucher des „public viewing“ (schon wieder) entgegen. Die Tribüne auf der Geschäftsstellenseite war während des Spiels hier prall gefüllt. Nun zu unserem Hockeyspiel entleerte sie sich schnell. So wenig vorbereitet sind wir noch nie in ein Spiel gegangen. Obwohl Björn Emmerling, Matthias Witthaus, Philipp Crone und Tim Jessulat geschont wurden (und Rikki Braun ja in Berlin war. 20 Minuten nach Spielschluss saß er im Flieger nach Düsseldorf. Die Tore waren schon geschlossen und wurden gerade noch einmal für ihn geöffnet), lief es ganz ordentlich. Die Engländer hatten zwar einige gute Torchancen, die von Christian Schulte bravourös geklärt wurden. Aber wir machten das Tor. Nach schöner Kombination von Philip Witte und Tim Blasberg war Niki Emmerling so freigespielt, dass er nur noch ins leere Tor eindrücken musste. Heute Nachmittag dann richtig und offiziell um 15.00 Uhr Deutschland gegen England. Vielleicht kommen ja ein paar Fans. Vielleicht eine Südkurve voll.
PS: Bet and win
Wie es sich in diesen gemeinsamen Fernsehzeiten gehört wurde natürlich auch gewettet. Nur einer hatte das richtige Endergebnis nach 90 Minuten. Tibor Weißenborn konnte seinem Konto 84 € gutschreiben. Im wahrsten Sinne. Es werden nicht mehr Münzen eingetrieben, sondern es wird einfach über das Mannschaftskassenkonto abgebucht.
Bleiben Sie uns verbunden –
HockeyHerzlichst
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