Das Spiel um die Ecke
Ich habe schon einmal in einer der ungefähr 250 Folgen von „In-Teames“ versucht, in das strategische Denken bei den Eckenvarianten, Einblick zu geben („was denkt der Gegner, was wir denken, was er denken könnte, was wir dächten...“). Auch wenn es für den uneingeweihten Betrachter eher den Windungen von Schnittmusterbogen folgend ausschauen mag, auf welchen Weg der Ball bei einer kurzen Ecke durch ein Gewirr von Freund und Feind seinen Weg doch mit einer hohen Wahrscheinlichkeit ins Tor findet, so steckt dahinter ausgeklügeltes Planen. Auch die Begrifflichkeiten mögen dem Außenstehenden eher verwirren, denn erhellen, wenn da von „Entscheidung 90 ° - durchgelassene Linksablage, Korea, Werner, Rüsselsheim, Stacey, Zweizweilaufen oder Drei-eins-Verteidigung, vom Kopfstecher und dem langen Paar“ die Rede ist. Begriffe, die vielleicht auch für „Genial daneben“ einer Einsendung wert wären.
Doch dahinter steckt detaillierte Planung. Vor jedem Spiel sind die Punkte „Ecken für“ und „Ecken gegen“ Besprechungsroutine. Und Bernhard Peters legt hier großen Wert auf die Mitarbeit seiner Spieler. Besonders Tibor Weißenborn und Torhüter Christian Schulte (ohnehin der große Taktiker und Spielanalytiker in allen Bereichen) haben hier immer die passende Antwort bereit. Wie wird der Gegner herauslaufen? Man studiert die letzten Spiele, die letzten Turniere. Gibt es Regelmäßigkeiten? Und wenn er dann 2:2 herausläuft, also mit zwei Spielern, die auf die Eckenschützen zustürmen, wo gibt es dann Löcher, in die eine Ablage gespielt werden kann. Und natürlich gibt es auch ganze Strategien, um den Gegner mit der ersten Ecke zu falschen Schlüssen für die nächste zu locken. Denn alle Mannschaften haben ihre Videobeobachter, die wie hier in Chennai oben auf dem Dach der Tribüne stehen oder anderswo im gefährlichen Schussfeld hinter dem Tor auf dem Videoturm und sofort auf dem Laptop die Ecken analysieren und per Funkverbindung an den Headcoach heruntergeben. Die Spanier, Australier und Holländer haben hier bis zu fünf Analysten auf der Video-Plattform. Die Spanier spielen gar per Blue-tooth Cheftrainer Maurits Hendriks die Szenen auf den Laptop, den er neben sich auf der Bank stehen hat (Bernhard Peters hält das allerdings für Informationsüberfrachtung).
Bei Ecken gegen ist Tibor eigentlich der Garant für Zuversicht. Zum einen, weil er im Spiel durch sein geschicktes und klug antizipierendes Herauslaufen, bei dem die ganze Erfahrung seiner inzwischen 237 Länderspiele zum Tragen kommt, eigentlich nie etwas anbrennen lässt. Zum anderen weiß er aber auch für jede Aufstellungskonstellation der Gegner schon bei der Besprechung die passende und beruhigende Antwort. Und wissend, dass der Gegner auch Video schaut, düpiert man diesen dann auch das ein oder andere Mal mit einer wechselnden Aufstellung.
Trotz allem ist es notwendig, sich im Spiel selbst immer wieder auf jede Eckensituation neu einzustellen. Erst vor Ort fällt die letzte Entscheidung. Und da achtet man genau darauf, wer beim Gegner als Schütze Aufstellung nimmt. Und wo. Und weiß, um dessen Vorlieben und Stärken. Aber auch die Aufstellung aller Gegner am Kreis gibt Fingerzeige, für welche Variante sich der Gegner wohl entscheiden wird. Und trotz aller Planung geht ab und an doch ein Ball ins Tor. Eben doch ein Spiel. Aber wie bei jedem Spiel ist es gut, die Spielregeln zu beherrschen und den besten Weg zum Spielerfolg zu analysieren. Manchmal auch um die Ecke gedacht.
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